Seite - 47 - in Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Bild der Seite - 47 -
Text der Seite - 47 -
47
Die qualitative Stichprobe ihrer Studie deutet darauf hin, dass Lehrpersonen
tendenziell den fertigen Geschichten eine größere Aufmerksamkeit schenken,
ohne deren Konstruktcharakter zu berücksichtigen und jene Einflüsse zu reflek-
tieren, die das Schreiben von Geschichte bedingen. Aufbauend auf der Unter-
scheidung von Kuhn/Weinstock122 entdeckte Yilmaz bei den meisten ihrer zwölf
Probanden „naive“ epistemologische Vorstellungen im Sinne einer Gleichset-
zung von Geschichte und Vergangenheit. Die Publikation mündet in die Emp-
fehlung, in der Ausbildung Kurse vorzusehen, in der Historiografie auf einer
Metaebene reflektiert wird – der Titel ihres Beitrags „Calling for Historiogra-
phy“ ist in dieser Hinsicht Programm. Im Rahmen der Förderung von Kompe-
tenzen historischen Denkens wurde diese Forderung auch für die österreichische
Geschichtslehrpersonenausbildung schon mehrere Male erhoben.123
Im Zusammenhang mit der Erforschung von Überzeugungen zu Geschich-
te kam insbesondere die schon erwähnte Gruppe um Maggioni und VanSled-
right zu weltweiter Bekanntheit. Die von ihnen aufgestellte einfache Theorie im
Zusammenhang mit „epistemic stances“ (Entwicklungsstufen von Überzeugun-
gen zu Geschichte) hat zahlreiche geschichtsdidaktische Forschungsprojekte
weltweit inspiriert. Das Team kann in diesem Zusammenhang als einflussreichs-
te Gruppe bezeichnet werden. In der Literatur wird wiederholt auf einen Vor-
trag rekurriert, den Maggioni, VanSledright und Reddy auf der EARLI-Konfe-
renz im Jahr 2009124 gehalten haben. In diesem Jahr erschien auch ein Beitrag
von Maggioni, VanSledright und Alexander, in welchem diese die „Beliefs about
Learning and Teaching History Questionnaire“ (BLTHQ) vorstellen.125 Dieser
Fragebogen zielte darauf ab, epistemologische Überzeugungen („epistemic cog-
nition in history“126, Überzeugungen zu Geschichte) reliabel und valide zu mes-
122 Vgl. Kuhn, Deanna/Weinstock, Michael (2002): What is epistemological thinking and
why does it matter? In: Hofer, Barbara/Pintrich, Paul (Hg.): Personal epistemology: The
psychology of beliefs about knowledge and knowing. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum
Associates, S. 121 – 144.
123 Bernhard 2018a; Bernhard/Kühberger 2017, 2019.
124 Vgl. Maggioni, Liliana/VanSledright, Bruce/Reddy, Kimberly (2009a): Epistemic talk in
history. Biennial conference of the European Association for Research on Learning and
Instruction (EARLI). Amsterdam, Netherlands.
125 Vgl. Maggioni u. a. 2009, S.
187 – 214. Später wurde dieser Fragebogen zum BHQ wei-
terentwickelt: „In an attempt to increase the reliability of the scales, items of the BLTHQ
with low loadings on the theoretically meaningful factors were substituted with new state-
ments, previously tested in a pilot study with college students“ (Maggioni 2010, S.
120).
126 „Epistemic cognition has been defined as the cognitive process enabling individuals to
consider the criteria, limits, and certainty of knowing“ (S. 188).
zurück zum
Buch Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Überzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 Literaturübersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der Literaturübersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenÜberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der Literaturübersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. Abkürzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen für Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277