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verarbeiten. Sich widersprechende Quellen werden innerhalb dieser Stufe als be-
unruhigend empfunden – sie verleiten dazu, Geschichte lediglich als eine Frage
von Meinung anzusehen:
„Whenever they were faced with biased witnesses and lack of accurate reports, stu-
dents tended to find attractive the idea that history was an impossible undertak-
ing or just a matter of opinion.“
Die Beforschung der Vergangenheit ist damit im Prinzip unmöglich, insofern
als keine wissenschaftlichen Aussagen getroffen werden können. Auf der drit-
ten epistemologischen Entwicklungsstufe „criterialist stance“ wird erkannt, dass
durch die Berücksichtigung der Perspektivität von Quellen und durch die
Übereinstimmung in verschiedenen Quellen Historiker/innen prinzipiell die
Möglichkeit haben, das Problem der Verzerrung durch historisches Denken in
den Griff zu bekommen. „Now the investigation of the past becomes possible
again“133:
„We named this epistemic stance the criterialist stance, to underline the ability of
historical thinkers to use the disciplinary tools and criteria for historical inquiry
and to focus on a multiplicity of particulars without losing the capacity to perceive
a broader view.“134
Diese Bewegung hin zu einem kriteriengeleiteten historischen Denken kann in
einem dialektischen Sinne als These, Antithese und Synthese bezeichnet werden.
Wenn der Objektivismus in Stufe 1 die These darstellt, ist der Relativismus auf
Stufe 2 die Antithese – der Ausschlag des Pendels in die Gegenrichtung. Die
wissenschaftsorientierte Stufe 3 ist in diesem Sinne die ausgleichende Synthese.
Es wird noch gezeigt werden, wie ähnliche Dynamiken in mehreren Bereichen
der Geschichtsdidaktik eine Rolle spielen. Wie schon erwähnt, entsprechen die
Ziele des österreichischen Kompetenzmodells jedenfalls einer criterialist episte-
mic stance, insofern als historisches Denken eng mit der Analyse und selbststän-
digen Beurteilung von fertigen Geschichten gemäß bestimmten Kriterien ver-
bunden ist. In dem Beitrag wird die Entwicklung eines quantitativen Fragebogens
beschrieben, der auf dieser Unterscheidung von Entwicklungsstufen von Über-
zeugungen zu Geschichte basiert. Der Fragebogen wurde mit 75 Lehrpersonen
133 Ebd., S.
195.
134 Ebd.
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Buch Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Überzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 Literaturübersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der Literaturübersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenÜberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der Literaturübersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. Abkürzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen für Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277