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Forscher/in bzw. als Universitätsangehörige/r als herausgehobener Experte ge-
deutet wird, „who seems to be trying to find out whether the interviewee pos-
sesses appropriate knowledge in his or her field of action or is acting correctly“348.
Dies ist eine Steigerungsform der Co-Experten-Zuschreibung und wird ver-
mutlich öfter zum Tragen kommen, wenn sehr erfahrene Wissenschaftler/innen
ins Feld gehen:
„[…] an expert who has come down from a higher sphere, equipped with the in-
signia and academic competences of someone who belongs to a university or other
institute; this expert descends to the lowlands of practice in order to pass judgement
on a colleague with inferior qualifications, or at best to find out how those involved
in practical affairs see things.“349
Es ist davon auszugehen, dass es in so einem Falle zu einer Asymmetrie der Ge-
sprächssituation kommt. Interviewpartnerinnen und -partner sehen sich wahr-
scheinlich als unterlegen und trachten danach, „fachlich richtig“ zu antworten
–
tiefsitzende Überzeugungen werden in einer solchen Interviewsituation
tendenziell eher weniger offengelegt. Im Feld habe ich während einer teilneh-
menden Beobachtung erlebt, dass sich eine junge Lehrerin während der Unter-
richtsbeobachtung unsicher in einer inhaltlichen Frage zu der in dieser Zeit lau-
fenden Bundespräsidentenwahl war. Sie hat daraufhin während der Stunde zu
den Schülerinnen und Schülern gesagt: „Aber wir haben ja auch einen Experten
unter uns, der Herr Dr. Bernhard, der weiß das sicher!“; worauf die Lehrerin un-
sicher Blickkontakt mit mir suchte. Ich habe dann gesagt, ich hätte keine Ah-
nung davon, und wusste die Detailfrage auch tatsächlich selbst nicht zu beant-
worten. Im darauffolgenden Interview mit dieser Lehrerin hatte ich den
Eindruck, dass sie dieses fast ein wenig wie eine Prüfungssituation auffassen
würde. Es schien, und dies wurde in einem Post-Interview-Memo festgehalten,
dass sie dachte, alles „richtig“ beantworten zu müssen, und zwar genau das, was
ich hören wollte. Es bestand auch eine Diskrepanz zwischen der konkreten Un-
terrichtsgestaltung dieser Lehrerin und den Interviewaussagen über ihren Un-
terricht.
Das Gegenstück zum „Co-Experten“-Typus ist die Wahrnehmung der in-
terviewenden Person als „Laie“. Hier wird dem Interviewenden hinsichtlich des
348 Bogner/Menz 2009, S. 64.
349 Ebd.
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Buch Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Überzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 Literaturübersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der Literaturübersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenÜberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der Literaturübersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. Abkürzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen für Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277