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I-N2_f: Und ich glaube, dass das einfach ganz schlecht transportiert wurde sei-
nerzeit, wie uns allen das aufoktroyiert wurde, ja, alles muss in Kompetenzen
abgehandelt werden, ob das der Europass ist, den man den Kindern jetzt mit
dem Zeugnis mitgeben muss, oder eben ein Schulbuch, das alles in Kompe-
tenzen ausweisen muss oder so. Ich habe das ja jetzt selbst erlebt bei meinem
Schulbuch auch, würde es einfach diesen Begriff nicht geben, gäbe es, glau-
be ich, die gleichen Dinge, die passieren, ja, und alles wäre irgendwie ein
bisschen friedlicher gespielt, ja? So ist halt wirklich für Lehrer, wenn sie hören,
Kompetenz ist schon so: ah [negative Betonung]. Und ich finde, es wäre auch,
also ich sehe nicht die Notwendigkeit, warum man das auf einmal so hoch-
gepuscht hat.
Auch Lehrperson A11_f kann unter ihren Kolleginnen und Kollegen eine eher
negative Stimmung gegenüber Kompetenzorientierung erkennen und sieht ei-
nen Grund dafür in einer „Vorgabe von oben“, die als Kritik aufgefasst wird:
I-A11_f: B: Ja momentan ist es sehr/Ich wollte gerade sagen, es ist sehr ne-
gativ behaftet, weil es einem irgendwie so aufoktroyiert wird […]. Aber ich
glaube, dass sich halt dann viele da irgendwie auf die Zehen gestiegen gefühlt
haben, weil sie sich gedacht haben: Na, eigentlich mache ich eh so viel. Und
jetzt wird mir von oben her was aufoktroyiert. Und zum Teil, ich glaube auch
nicht, dass alles sinnvoll ist, was da gekommen ist, muss ich ehrlich sagen.
Die häufige Verwendung des Verbes „aufoktroyieren“ fällt mit den in diesem Zu-
sammenhang analysierten Aussagen auf. Auch Lehrperson N23_f setzt pro for-
ma Kompetenzorientierung um, obwohl sie vom Nutzen wenig überzeugt ist,
weil es ihr eben – so ihr Eindruck
– „aufoktroyiert“ wurde.
I-N23_f: […] natürlich macht man es, es wird uns ja quasi aufoktroyiert, dass
das jetzt das Nonplusultra ist und dass wir das machen müssen, also macht
man es, ja? Ob das jetzt sehr viel von Nutzen für die Kinder dann unter dem
Strich ist, sei dahingestellt, ja?
Die Lehrperson hat den Eindruck, dass Kompetenzorientierung in diesem Sin-
ne durchgesetzt wird, damit alles mess- und vergleichbar wird:
I-N23_f: […] wenn ich ehrlich bin. Es ist jedes Jahr, kommt eine Flut an ir-
gendwelchen Neuerungen auf uns zu, die in Wirklichkeit keine Neuerungen
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Buch Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Überzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 Literaturübersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der Literaturübersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenÜberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der Literaturübersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. Abkürzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen für Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277