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Wie an anderer Stelle gezeigt, ist innerhalb der Philosophie des Faches der ana-
lysierten Geschichtslehrpersonen der Aufbau von Basiswissen im Sinne von in-
haltlichem Faktenwissen bzw. von chronologischem Wissen ein zentrales Anlie-
gen. Auf die Frage, was Lehrpersonen im Geschichtsunterricht wichtig ist,
wurde von mehr als der Hälfte der Lehrpersonen
– insbesondere jenen aus dem
Gymnasium – in irgendeiner Weise auf Wissensaufbau verwiesen – konzeptio-
nelles Wissen, prozedurales Wissen und metakognitives Wissen spielten dabei
kaum eine Rolle.422 Dementsprechend wurde die Befürchtung, dass Kompetenz-
orientierung das inhaltliche Wissen verdrängen und dass Abschlussprüfungen
im Fach Geschichte zu reinen Meinungsbekundungen über Sachverhalte ver-
kommen würden, ohne dass diese eine fundierte Wissensbasis hätten, auch im-
mer wieder in den Interviews genannt. Auch hier zeigt sich, dass es nicht histo-
risches Denken ist, welches die Lehrpersonen ablehnen, sondern dass der
allgemeine und in vielen Fächern vorhandene Diskurs über die Bedeutung des
inhaltlichen Faktenwissens Irritationen hervorruft.
Lehrperson N10_f ist in der Lehrer/innenbildung sehr aktiv und spricht in
dem folgenden Interviewsegment über ihre diesbezüglichen Erfahrungen:
I-N10_f: I: Wie sehen Sie das im Zusammenhang mit Wissen, also der Zu-
sammenhang zwischen Wissen und Kompetenzen?
B: Das ist der Kritikpunkt vieler Lehrer und Lehrerinnen, ja, dass sie sagen, wenn
ich nur, unter Anführungszeichen, kompetenzorientiert arbeite, dann bleibt mir
ja der Stoff über, also wenn ich jetzt eine Bildanalyse zum Beispiel [unver-
ständlich], der absolut klassische Bildanalyse halt, ja, mit Symbolen, und,
und, und, dann kann ich ja nicht ordentlich über den Absolutismus sprechen
und über Schloss Versailles, und, und, und, was nicht stimmt, was aber so ge-
sehen wird. Na ja, also ich glaube, dass im Moment viele Lehrer und Lehrerin-
nen glauben, sie müssen sich entscheiden. Entweder ich mache, unter Anführungs-
strichen, Stoff, ja, oder/und komme mit meinem Buch weiter, oder komme mit dem,
was ich halt vorhabe, weiter, oder ich arbeite kompetenzorientiert. Dass das aber
zusammenhängt eigentlich, im Grunde genommen, ich glaube, das geht an
vielen vorüber.
Als Lehrperson A2_m gefragt wurde, warum sie denkt, dass viele Lehrkräfte ein
Problem haben mit der Kompetenzorientierung, antwortet sie, dass es bei der
422 Bernhard 2021.
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Buch Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Überzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 Literaturübersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der Literaturübersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenÜberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der Literaturübersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. Abkürzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen für Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277