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42 2. Jugend- und Ausbildungsjahre
es, flächendeckend alle Kinder schulisch zu erfassen. Die Umsetzung der Schulreform
ging jedoch schleppend voran. In Tirol waren es vor allem die abgelegeneren kleinen
Landgemeinden, die den Neuerungen oft nur wenig aufnahmebereit begegneten.
Das lag zum einen meist an den lokalen Obrigkeiten, die nicht zu den notwendigen
Investitionen im Schulbereich bereit waren, andererseits aber auch an der Bevöl-
kerung, die sich oft einfach weigerte, ihre Kinder in die kostenpflichtige Schule zu
schicken und dadurch auch noch deren Arbeitskraft zu entbehren.4 Teilweise waren
es auch die Geistlichen vor Ort, die sich gegen die in ihren Augen zu aufklärerischen
Neuerungen im Schulwesen stemmten.5
Um die Umsetzung der neuen Schulordnung zu überprüfen, wurden sogenannte
Schulvisitatoren bestellt, die jeweils einen Sprengel zu bereisen und über den Stand
des Schulwesens in den dortigen Gemeinden Bericht zu erstatten hatten. Aus den so
entstandenen Visitationsberichten ergeben sich auch Aufschlüsse über die Schulsi-
tuation im Stubaital. Der geistliche Schulvisitator Ignaz Mantinger – selbst Lehrer
an der Normalschule in Innsbruck und später Oberschulaufseher für Tirol – fällt im
allgemeinen Teil seines Berichtes über die Winterschule 1776/1777 in den Gerichten
Steinach, Stubai, Axams, Hörtenberg und Petersberg ein ernüchterndes Urteil über
die dortige Schulsituation:
„Da in wenigen Orten die Schule nach der neuen Vorschrift abgehalten wurde, und auch in
diesen meistens sehr unvollkommen, da in den meisten Orten weder die vorgeschriebenen
Schulbänke, noch Schultafeln vorhanden, ja in vielen Orten nicht einmal eine taugliche
Schulstube, da überdas in vielen Orten sehr wenige oder gar keine Kinder in die Schule
giengen. So war in den meisten Orten eine ganz neue Einrichtung nöthig. Die Schule
musste anfänglich mit dem gehörigen versehen, und die Kinder gesammelt, und sodann
musste erst die vorgeschriebene neue Methode, welche die meisten Schulhalter sehr übel
angewendet, eingeführet, den Schulhaltern alles vorgemacht, die Jugend abgerichtet, und
die ganze Ordnung vorgeschrieben werden, nach welcher sie die Schule abhalten sollen.“6
Allerdings wird aus Mantingers detaillierteren Berichten zu den einzelnen Gemein-
den deutlich, dass es um die Schulen im Stubaital noch mit am besten bestellt war.
Zwar sei in Mieders und Neustift die Einrichtung neuer, geeigneter „Schulstuben“
erforderlich, doch sei auch in diesen beiden Orten jeweils zweiklassig und „nach
4 Vgl. Hölzl, Pflichtschulwesen, 1972, S. 343–389.
5 Vgl. Visitationsbericht Joseph Tusch, 19. April 1785, TLA, Jüng. Gub., Gubernialakten, Fasz. 2503,
Nr. 11.714.
6 Visitationsbericht Ignaz Mantinger, 30. Mai 1777, TLA, Cattanea, 485, Fasz. 40.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435