Page - 48 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Image of the Page - 48 -
Text of the Page - 48 -
48 2. Jugend- und Ausbildungsjahre
jahr – mit großen lokalen Abweichungen – von Martini, das ist der 11. November,
bis zum Palmsonntag dauerte. Die in nur sehr wenigen Orten tatsächlich gehaltene
Sommerschule dauerte meist vom Ostermontag bis zum 29. September. Wo keine
Sommerschule gehalten wurde, sollte verstärkt auf die Sonn- und Feiertagsschule
gesetzt werden. Die Unbeliebtheit der Sommerschule hatte wiederum verschiedene
Gründe: Zum einen konnten beziehungsweise wollten die Eltern im Sommer noch
weniger auf die Arbeitskraft ihrer Kinder für die Feldarbeit verzichten. Vielfach man-
gelte es auch an der Bereitschaft, auch noch im Sommer für die Kosten des Schulhal-
ters aufkommen zu müssen. Außerdem waren viele Schulhalter selbst in der Land-
wirtschaft tätig und hatten daher gar keine Zeit für den Schuldienst.22
Das von Sebastian Hölzl in seiner Dissertation über die Anfänge des Tiroler
Pflichtschulwesens angeführte Argument, für viele Eltern sei das zu entrichtende
Schulgeld ein Grund für die Ablehnung der (Sommer-)Schule gewesen, dürfte für
das Stubaital allerdings nur bedingt Gültigkeit haben. Weniger vermögende Familien
waren nämlich vom Schulgeld befreit:
„die vermöglichern [vermögenderen] Eltern zahlen für ihre Kinder wochentlich 2 oder 3
Kr. [Kreuzer] durchgängig, wie ehedem. Kinder unvermöglicher Eltern sind durchgängig
frey. Von Sonn- und Feuertäglichen Wiederholungs Stunden wird gar nichts bezahlet.“23
Auch auf noch eine andere Weise wurden Kinder weniger vermögender Eltern unter-
stützt. In jeder Schule des Gerichts standen Bücher für die „ärmeren Kinder“ bereit.
Auffallend hoch ist die Zahl solcher Bücher in der Trivialschule in Fulpmes. 99 Bü-
cher standen hier, so Visitator Tusch, für die Kinder weniger wohlhabender Eltern
zur Verfügung.24
Wenige Monate nach dem Visitationsbericht Joseph Tuschs entstand eine zweite
Quelle, die einen Einblick in das Schulwesen im Stubaital im Jahr 1785 freigibt. Es
handelt sich dabei um in den einzelnen Gemeinden des Tales ausgefüllte Fragebögen
zur Beschaffenheit der dortigen Schulen. Das für das Unterinntal und das Wipptal
zuständige Kreisamt hatte die Fragebögen herausgegeben, die, im Falle des Stubaita-
les, vom Hofrichter Jakob Philipp Brichsner am 15. Dezember 1785 unterzeichnet
und beantwortet retourniert wurden.25 Seitens des Kreisamtes wurden die einzelnen
22 Vgl. Hölzl, Pflichtschulwesen, 1972, S. 239–241.
23 Visitationsbericht Joseph Tusch, 19. April 1785, TLA, Jüng. Gub., Gubernialakten, Fasz. 2503, Nr.
11.714.
24 Vgl. ebd.
25 Vgl. Fragebögen zum Stubaier Schulwesen, 15. Dezember 1785, TLA, Sammelbestand Finanzbe-
hörden, Fasz. 475.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435