Page - 53 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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2.3. Wander- und Lehrjahre 53
Halbbrüder Johann und Franz hätten, so schreibt Adolf Hueber, Lehrjahre in Vevey
am Genfer See und in Rovereto absolviert.44 Für Michael Pfurtschellers Sohn Anton
lässt sich ein längerer Aufenthalt in Triest vermuten.45 Inwieweit ihr Vater Michael
Pfurtscheller bei seiner Entscheidung, seine Söhne auswärts in die Lehre zu schicken,
von Auslandserfahrungen seiner eigenen Jugend geleitet wurde, bleibt jedoch unklar.
Jedenfalls schien Pfurtscheller derartigen Bildungsaufenthalten zumindest hinsicht-
lich der Vorteile, die diese für die Entwicklung der Metallwarenfabrikation mit sich
brächten, positiv eingestellt. So bemerkte er 1812 im Rahmen seiner Verbesserungs-
vorschläge für die wirtschaftliche Lage im Stubaital gegenüber dem Landgericht Fol-
gendes:
„III. würde es sehr zuträglich sein, wenn die wanderungen Junger leite [Leute], um zu
lehrnen, oder das gelehrnte, durch untersuchung besserer arbeiten, in denen man nie aus-
lehrnet, zu Vervollkommenen mehr empfohlen, und begünstiget würden, besonders, wenn
44 Ebd.
45 Am 17. Mai 1848 drückte Michael Pfurtschellers Sohn Johann in einem Brief an seinen Bruder
Franz seine Verärgerung über das Vorhaben ihres Vaters, mit ihrem jüngeren Bruder Anton eine
„Lustreise“ nach Venedig und Triest zu unternehmen, aus. Schließlich sei dieses Unternehmen auf-
grund der kriegerischen Auseinandersetzung in Oberitalien zu riskant. Stattdessen solle Michael
Pfurtscheller seinen Sohn Anton doch besuchen, sobald wieder „Ruhe und Frieden“ eingekehrt wä-
ren. (Vgl. Johann Pfurtscheller an Franz Pfurtscheller, 17. Mai 1848, TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, IV, Bund 1, Nr. 60; sowie: Kap. 5.3.3. u. 5.3.4.) „Sortsch bewilliget den Eintritt des Anton“,
heißt es in einem anderen Schreiben Johann Pfurtschellers an seinen Bruder Franz. (Vgl. Johann
Pfurtscheller an Franz Pfurtscheller, 28. April 1848, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, IV, Bund
1, Nr. 53.) Bei „Sortsch“ dürfte es sich um den slowenischstämmigen Metallwarenhändler Edvard
Sortsch – geboren 1815 in Bovec – handeln, der in Triest seine Geschäfte betrieb. (Vgl. Samo Pahor,
Sortsch Edvard, in: Primorski slovenski biografski leksikon, Bd. 14, hg. v. Martin Jevnikar, Gorica
1988, S. 409 f.; sowie: Marta Verginella, Sloveni a Trieste tra Sette e Ottocento. Da comunità etnica
a minoranza nazionale, in: Storia economica e sociale di Trieste, Vol. 1: La città dei gruppi, a cura
di Roberto Finzi e Giovanni Panjek, Trieste 2001, pp. 441–481, qui: p. 476–477.) Es ist zwar nicht
eindeutig eruierbar, ob in Johann Pfurtschellers Brief von diesem Edvard Sortsch die Rede ist, es
spricht jedoch einiges dafür: So unterhielt ein gewisser „Eduardo Sortsch“ bereits im Jahr 1847
offensichtlich einen beträchtlichen Handel mit Metallwaren in Triest. Das lässt sich aus der Schiff-
fahrtsstatistik des Triester Hafens aus diesem Jahr schließen. „Eduardo Sortsch“ war demzufolge
Empfänger von Metallfertigwaren, Rohmaterialen wie Kupfer-, Messing- und Eisendraht oder auch
Kupferschrott sowie Schleif- und Wetzsteine. Die Lieferungen kamen – und zwar fast wöchentlich –
meist aus dem Adriaraum (vor allem aus dem nahen Venedig), aber auch aus Liverpool, Amsterdam
oder Marseille. (Vgl. „Portata dei bastimenti arrivati nel porto-franco di Trieste nell’ anno 1847“,
Triest [1847], S. 30, 38, 50, 68, 79, 92 f., 101, 116, 148, 181, 190, 195, 220, 231, 236, 262, 281,
308, 337, 361, 367, 379, 444, 458, 528, 537, 553, 578, 580, 583 u. 602.) Zweifellos kommt ein
derartiges Handelsunternehmen als möglicher Ausbildungsplatz für einen Sohn Pfurtschellers in
Frage.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435