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56 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Wenig später, im Juni 1838, wurde außerdem von Erherzog Johann, der zu den Be-
ratungen über die Gestaltung des Denkmals hinzugezogen worden war, angeregt,
an jenen Orten des Landes, an denen sich „hartnäckige Gefechte“ ereignet hatten,
Gedächtniskapellen zu errichten. Die Kreisämter wurden daher beauftragt, bei den
ihnen untergebenen Landgerichten Berichte hinsichtlich Gefallenenzahlen – obwohl
dies bereits wenige Jahre zuvor, im Zusammenhang mit der Errichtung eines Denk-
mals für Andreas Hofer, schon einmal erfolgt war – und wichtigen Kampfplätzen ein-
zuholen.3 Bereits am 7. August 1838 sandte das Landgericht Mieders das Ergebnis
seiner Erhebungen an das Kreisamt. Darin heißt es:
„Dieses Landgericht hat sich hinsichtlich der Daten behufs der nach dem hohen Praesi-
dial-Decrete vom 1ten vorigen Monats [Juli] Zahl 1740 zum Andenken der in den frü-
heren Jahren Statt gehabten Gefechte im Vaterlande zu errichtenden Kappellen, und des
gleichfalls zum Andenken der in den verschiedenen vaterländischen Gefechten gefallenen
Landesver theidiger anzufertigenden Ehrenbuches an den Schützen-Hauptmann Michael
Pfurtscheller gewendet, welcher als Patriot, Schützenhauptmann und Schaarführer alle
möglichen Behelfe über die vaterländischen Kriegsbegebenheiten gesammelt hat.
3 Zur Frage des Gefallenendenkmals, der Idee der Gedächtniskapellen und des „Ehrenbuches“ im Jahr
1838 allgemein: TLA, Jüng. Gub., Präsidiale 1838, Fasz. 3688, Nr. 282; TLA, Landtagsakten 1839,
Fasz. 75, Nr. 1105; zum Auftrag des Landespräsidiums an die Kreisämter, Erhebungen zu den Ge-
fallenen und bedeutenden Kampfplätzen zu veranlassen im Speziellen: Abschrift Landespräsidium an
Kreisämter, 1. Juli 1838, TLA, Jüng. Gub., Präsidiale 1838, Fasz. 3688, Nr. 1740 [liegt bei Nr. 282];
sowie zu den bereits früher erstellten Gefallenenlisten: Kap. 3.1.2. – In der bisherigen Forschung zu den
Gefallenenzahlen der Landesverteidigung in den Jahren 1796 bis 1813 wurden weder diese abermalige
Erhebung des Jahres 1838, noch die Rolle Erzherzog Johanns in der Entscheidungsfindung hinsichtlich
der künstlerischen Gestaltung des Denkmals oder dessen Vorschlag zur Errichtung von Gedächtniska-
pellen – Hans Kramer ging einem diesbezüglichen Hinweis offensichtlich nicht weiter nach – berück-
sichtigt. (Vgl. besonders: H. Kramer, Die Gefallenen Tirols, 1940, S. 10–13; sowie: Peter Andorfer,
„Tote Tiroler“. Eine rezeptionsgeschichtliche und quellenkritische Untersuchung und Präsentation der
Zahl der im Jahre 1809 gefallenen Tiroler, phil. Dipl., Innsbruck 2009, S. 43 f.) Peter Andorfer hat sich
nun jedoch – basierend auf den im Zuge dieser Nachforschungen zur Person Michael Pfurtscheller neu
entdeckten Quellen – den „neuen“ Gefallenenlisten aus den Jahren 1838/39, der Frage der Gedächtnis-
kapellen und der Entstehungsgeschichte des Denkmals für die Gefallenen der Kriegsereignisse der Jahre
1796 bis 1813 eingehender gewidmet. Eine entsprechende Publikation ist vorgesehen. Weder das „Eh-
renbuch“, noch die Kapellen wurden tatsächlich realisiert. Listen mit den Namen der Toten wurden je-
doch wohl, in eine verwitterungsbeständige Metallkassette eingearbeitet, in den Sockel des Denkmals in
der Hofkirche integriert. (Vgl. Baudirektion an Landespräsidium, 22. August 1838, TLA, Jüng. Gub.,
Präsidiale 1838, Fasz. 3688, Nr. 2526 [liegt bei Nr. 282]; sowie: TLA, Jüng. Gub., Präsidialprotokoll
1838, PP 124, Nr. 2526.) Auch in der bereits zitierten Urkunde zur Grundsteinlegung des Denkmals
ist davon die Rede, die Namen der Gefallenen „in einem Verzeichnisse zum ewigen Gedächtnisse hiebei
niederzulegen“. (Vgl. [Weber], Denkbuch 1838, 1839, Beilage 1.)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435