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60 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
richtung des Andreas-Hofer-Denkmals in der Innsbrucker Hofkirche sollten – wie
bereits angedeutet – auf Entschluss des Landtags vom Mai 1834 sämtliche Gefallenen
der Kriege 1796/97 bis einschließlich 1809 – einige Landgerichte erstellten in der
Folge, wohl aufgrund missverstandener Anweisungen, Gefallenenlisten für die Jahre
bis 1813 oder gar 1814 – jeweils zu Listen zusammengetragen werden, damit auch
ihrer gedacht würde. Über die Kreisämter und Landgerichte wurden also die Seel-
sorger der Tiroler Gemeinden beauftragt, anhand der Sterbebücher entsprechende
Listen zu erstellen. Darüber hinaus wurden auch bei Ortsvorstehern und Veteranen
weiterführende Erkundigungen über die Kriegsereignisse eingeholt.11 Hier liegt wohl
auch der Anstoß für Pfurtschellers Bericht.12 Über die Landgerichte und Kreisämter
wurden die Zusammenstellungen dann wiederum nach Innsbruck gesandt. Was mit
den Gefallenenlisten nun geschehen sollte, war zunächst unklar. Ende April 1835
wurde dann beschlossen, diese in gebundener Form im ständischen Archiv aufzube-
wahren – ein Plan, der jedoch nicht verwirklicht wurde. Die Zusammenstellungen
aus den verschiedenen Gerichten seien im Tiroler Landesarchiv „verschwunden“, so
Hans Kramer, der diese rund hundert Jahre später in Buchform veröffentlichte.13
Pfurtscheller entspricht dem angesprochenen obrigkeitlichen Auftrag natürlich,
und das Landgericht übermittelt dem Kreisamt in Schwaz, nachdem man im De-
zember um eine Verlängerung der Einreichfrist gebeten hat, da der mit der Listener-
laut welcher er beauftragt worden sei, soviel er als „Kampf- und Zeitgenosse“ von den Kriegsjah-
ren 1796/97 noch wisse, mitzuteilen. (Vgl. Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834,
TLMF-Bib., FB 55495; sowie: Abschrift Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF,
Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1, Nr. 12; sowie: Entwurf Pfurtschellers zu 1797, Oktober
1834, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1, Nr. 19.) Pfurtscheller scheint hier allerdings
ein Fehler unterlaufen zu sein. Auf einer landgerichtlichen Abschrift des ihm erteilten Auftrages vom
8. Oktober 1834 ist nämlich anstatt der Aktenzahl „1068/25 Publ.“ die Zahl „1060/25 Publ.“ zu
lesen. (Vgl. Abschrift LG Mieders an Pfurtscheller, 8. Oktober 1834, TLA, Aktenserie LG Mieders,
Fasz. 42, Abteilung XVI Publicum.) Bereits am 11. August 1834 war ein entsprechender Aufruf des
Landgerichtes an alle Gemeindevorsteher ergangen. (Vgl. Abschrift LG Mieders an Pfurtscheller, 11.
August 1834, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 42, Abteilung XVI Publicum.)
11 Vgl. H. Kramer, Die Gefallenen Tirols, 1940, S. 6–9; sowie: Andorfer, „Tote Tiroler“, 2009, S. 43
f.; sowie: Bernhard Mertelseder, Beginn einer öffentlichen Gedenkkultur, in: Bernhard Mertelseder/
Brigitte Mazohl/Johannes Weber, 1809 – und danach? Über die Allgegenwart der Vergangenheit in
Tirol, Bozen 2009, S. 155–161; sowie: Anm. 1 u. 3.
12 Hans Kramer spricht lediglich von mündlichen Auskünften, die seitens der Landrichter bei Ve-
teranen eingeholt worden seien. (Vgl. H. Kramer, Die Gefallenen Tirols, 1940, S. 8.) Die zeitli-
che Parallele von Pfurtschellers Berichten zur obrigkeitlichen Recherche zu diesem Thema lässt den
Schluss jedoch zu, dass Pfurtschellers Ausführungen vom Landgericht Mieders im Zuge ebendieser
Recherche veranlasst wurden.
13 Kramer verweist auf das TLA, Abt. LV., 1835/36, Fasz. 257, Buchhaltungsberichte über Defensions-
forderungen von 1809. (H. Kramer, Die Gefallenen Tirols, 1940, S. 10.) – Siehe dazu auch: Anm. 3.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435