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66 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Desertieren hindern sollten, auch akzeptiert.43 Dass das Landgericht Mieders diese
Anekdote unter Umständen als unpatriotisch betrachten könnte, scheint Pfurtschel-
ler indes offenbar keine Sorgen bereitet zu haben. Eher war ihm ausdrücklich daran
gelegen sich als Helfer seiner schlecht ausgerüsteten Kameraden zu positionieren. Das
Fehlen dieser Passage in der als Entwurf zu interpretierenden Version seines Berichtes
weist darauf hin.44 Die Bewaffnung machte indes bei allen ausrückenden Landsturm-
abteilungen Probleme.45 Nur das Stubaier Aufgebot, so Kolb, sei „fast durchwegs mit
Gewehren bewaffnet“46 gewesen – ein Urteil, das mit Blick auf die Schilderungen
Pfurtschellers nicht nachvollziehbar ist. Dieser schätzt – zumindest was die Männer
aus Fulpmes angeht – den Anteil derer, die mit Schusswaffen ausgerüstet waren, auf
nicht einmal ein Drittel der Mannschaft.47
In seinem Bericht erzählt Pfurtscheller außerdem, die Fulpmer Mannschaft habe
ihn in Sterzing zu ihrem Anführer wählen wollen, er habe diese Wahl jedoch nicht
angenommen, da er sich zu jung und zu unerfahren für diese Position gefühlt ha-
be.48 Dass ein geringes Lebensalter eigentlich kein Hindernis darstellte, eine, wenn
auch niedere, Kommandoposition auszufüllen, wird sich weiter unten noch zeigen.
Ob diese Begebenheit sich jedoch tatsächlich ereignet hat oder ob sie schlicht eine
Ausschmückung Pfurtschellers darstellt, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Dass
Pfurtscheller aufgrund seines wohl zu diesem Zeitpunkt schon ausgeprägten, im Stu-
baier Vergleich überdurchschnittlichen Bildungsgrades, der sich in verschiedenen
Quellen deutlich erkennen lässt, bereits mit 21 als geeignet erachtet worden sein
könnte, ist jedoch nachvollziehbar.
Sammelpunkt für die Landesverteidiger war in und um Sterzing. Das Stubaier
Aufgebot, unter der Anführung des Gerichtsschreibers Franz Winkler49, zog, so
43 Vgl. ebd.
44 Vgl. Entwurf Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1
Nr. 19.
45 Vgl. Kolb, Freiheitskampf 1796/97, 1957, S. 609–613.
46 Ebd., S. 621.
47 Vgl. Entwurf Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1,
Nr. 19, S. 9.
48 Vgl. Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 18; sowie:
Abschrift Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund
1, Nr. 12, S. 11.
49 In den verschiedenen Berichten Pfurtschellers finden sich divergierende Angaben hinsichtlich des
Namens des Anführers. Als Winklers Vorname wird nicht nur Franz angegeben, sondern auch Jakob
sowie die Kombination Franz-Jakob. Er wird als „Gerichts-Beamter“ oder „Gerichts-Canzlist“ be-
zeichnet, dürfte also als Gerichtsschreiber unter dem bereits angesprochenen Richter von Stolz tätig
gewesen sein. (Vgl. die verschiedenen Versionen: Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober
1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 8 u. 13; Entwurf Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF,
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435