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3.1. 1797 67
Pfurtscheller, nach Wiesen am Eingang des Pfitschertales.50 Hier in der Umgebung
von Sterzing, wie auch in der Stadt selbst sammelten sich, so Kolb, bis zum 1. April
etwa 12.000 Mann, Schützen und Landsturm zusammengenommen.51 Es kam hier
in der Folge wohl auch zu einer Reihe von Disziplinlosigkeiten, selbst Übergriffe
auf die Bevölkerung scheinen vorgekommen zu sein, auch wenn Kolb die Ereig-
nisse als eher harmlose Übermutsäußerungen darstellt. Bereits bei der Sammlung des
Landsturmes in Innsbruck sei es am 27. März schon, wie er berichtet, zu Ausschrei-
tungen gekommen, die er allerdings als „einzelne Übergriffe jüngerer Elemente, die
ihre überschüssige Kraft irgendwie austoben wollten“ bezeichnet.52 Josef Fontanas
Diagnose zur Disziplin unter den versammelten Landesverteidigern fällt weit kri-
tischer aus. Es müsse „wirklich grob gefehlt haben mit der Disziplin“, so schreibt
er in seiner Analyse der Ereignisse der Jahre 1796 bis 1814 im südlichen Tirol.53
Wie in Innsbruck, so gab es auch in Sterzing und auf dem Weg dorthin ähnliche
Vorkommnisse, was ebenso aus der Literatur hervorgeht, wie auch aus Pfurtschellers
Bericht, beziehungsweise dessen Beilagen. Es sei jedoch „nicht so arg“ gewesen, be-
tont er beschwichtigend.54 Einen konkreten Hinweis, um welche Disziplinlosigkeiten
es sich unter anderem handelte, liefert eine Beilage, die Pfurtscheller seinem Bericht
an das Landgericht hinzufügt: ein gedruckter Aufruf vom 30. März 1797, in dem
Landeshauptmann Paris Graf von Wolkenstein55 die gesamte Sturmmasse in und um
Sterzing auffordert, sich ruhig zu verhalten. Anlass für diese Aufforderung war, dass
offensichtlich Landstürmer zu ihrem Vergnügen in der Stadt und auf dem Weg dort-
hin „ohne Ursache und Veranlassung zu schießen sich beygehen gelassen“ hätten.56
Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1, Nr. 19, S. 9; Abschrift Bericht Pfurtschellers zu 1797, Okto-
ber 1834, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1 Nr. 12, S. 4 u. 8.)
50 Vgl. Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 8.
51 Vgl. Kolb, Freiheitskampf 1796/97, 1957, S. 615.
52 Vgl. ebd., S. 611; sowie: Fontana, Südtiroler Unterland, 1998, S. 152 f.
53 Vgl. Fontana, Südtiroler Unterland, 1998, S. 153.
54 Vgl. Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 9.
55 Paris Graf von Wolkenstein-Rodenegg (1740–1814) amtierte von 1793 bis 1808 als Landeshaupt-
mann. (Vgl. Justinian Ladurner, Die Landeshauptleute von Tirol, in: Archiv für Geschichte und Alter-
thumskunde Tirols 2 (1865), S. 1–40, hier: S. 39; sowie: Astrid von Schlachta, Das Amt des Landes-
hauptmanns – Verwaltung und Politik in Tirol im 18. Jahrhundert am Beispiel Paris Dominikus von
Wolkenstein-Trostburgs und Paris von Wolkenstein-Rodeneggs, in: Die Wolkensteiner. Facetten des
Tiroler Adels in Spätmittelalter und Neuzeit (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 30),
hg. v. Gustav Pfeifer und Kurt Andermann, Innsbruck 2009, S. 345–359, hier: S. 356.)
56 Vgl. Entwurf Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1,
Nr. 19, S. 10; sowie: Kundmachung der landschaftlichen Schutz-Deputation Innsbruck, 30. März
1797, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 1, Nr. 3.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435