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82 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Als neuer Termin für den allgemeinen Angriff wurde nun der 30. April bestimmt.
Während die Schützenkompanien unter Major Schmidt am 21. und 22. April offen-
bar wie selbstverständlich ins benachbarte Engadin vorgerückt waren, wurden dies-
mal die Schützenkompanien in aller Form ersucht, sich am Angriff zu beteiligen. Es
hatte wohl Einwände gegen den Einsatz gegeben. Die Teilnahme an dem Unterfan-
gen musste nun auch formell auf freiwilliger Basis erfolgen, handelte es sich doch um
einen Einsatz außerhalb der Grenzen Tirols.122 In Moriggls Aufzählung jener Schüt-
zen, die sich am Angriff auf die französischen Truppen im Engadin beteiligten, feh-
len die Stubaier wie auch die Ischgler Kompanie. Beide hatten am fehlgeschlagenen
Angriff vom 22. April teilgenommen. Auch von den drei Kompanien des Gerichts
Ehrenberg, die ebenfalls beteiligt gewesen waren, meldeten sich nur 17 Freiwillige.123
Die Operation unter Feldmarschall Heinrich von Bellegardes Führung war erfolg-
reich. Er berichtete am 5. Mai 1799 an die Landesschutzdeputation, seine Truppen
würden nun das Engadin kontrollieren. Mitte Mai wurden die unterstützenden Schüt-
zenabteilungen nach Hause geschickt.124 Russische Truppen unter General Alexander
Wassiljewitsch Suworow125 sollten in der Folge die Aufgabe übernehmen, die Franzosen
auch aus der Schweiz hinauszudrängen. Dieser Plan schlug jedoch fehl. Suworow zog
sich erst nach Nordosten Richtung Lech und Iller zurück, im Dezember begann sein
Rückzug nach Russland. Französische Truppen rückten wieder voran in Richtung Grau-
bünden und Vorarlberg. Der herannahende Winter hinderte sie jedoch am weiteren
Vormarsch, die im oberen Vinschgau als Reaktion auf das neuerliche französische Vor-
dringen aufgestellten Landesverteidiger konnten teilweise wieder abgezogen werden.126
bei Moriggl). Die Darstellungen der Todeshergänge gleichen sich. (Vgl. Verlustliste des LG Mieders,
TLA, Abt. LV., 1835/36, Fasz. 257, Defensionsforderungen 1809, Verlustlisten Kreis Unterinntal,
LG Mieders; sowie ediert bei: H. Kramer, Die Gefallenen Tirols, 1940, S. 76–78.) In Pfurtschellers
Bericht aus dem Jahr 1838 werden ebenfalls drei Tote gezählt. Zugleich klären sich hier die eben
geschilderten Ungereimtheiten hinsichtlich der Namen der Toten auf: Lorenz Schüßer beziehungs-
weise Schießer sei einer Schussverletzung erlegen, Johann Hofer, „vulgo Kartnaller“, und Nikolaus
Jordan seien einer Lawine zum Opfer gefallen. (Pfurtschellers „Kurzgefaßte Beiträge zur Kriegsge-
schichte“, o. D. [1838], TLA, Landtagsakten 1839, Fasz. 75, Nr. 1105, S. 3 [vgl. Anm. 6].)
122 Vgl. A. Moriggl, Einfall der Franzosen, 1855, S. 83; sowie: Fontana, Südtiroler Unterland, 1998, S.
214.
123 Vgl. A. Moriggl, Einfall der Franzosen, 1855, S. 84.
124 Vgl. Fontana, Südtiroler Unterland, 1998, S. 216.
125 Alexander Wassiljewitsch Suworow (1730–1800) hatte bereits eine lange Offizierslaufbahn hinter
sich, ehe er im Frühjahr 1799 zum Oberbefehlshaber der russischen Truppen in diesem „zweiten
Koalitionskrieg“ ernannt wurde. Kaiser Franz II. erhob ihn auch in den Feldmarschallrang seiner
eigenen Truppen. (Vgl. Willy Birkenmaier, Als die Russen über die Alpen kamen. Der Marsch Su-
worows durch Süddeutschland im Jahre 1799, Hamburg 1999, S. 15–23.)
126 Vgl. Fontana, Südtiroler Unterland, 1998, S. 216.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435