Page - 94 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Image of the Page - 94 -
Text of the Page - 94 -
94 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
einem Bericht über die wirtschaftliche Lage des Stubaitales am 15. Oktober 1807,
das Dorf Fulpmes sei nach Überschwemmung und Vermurung nicht wiederzuerken-
nen. Es sei ein wahrer Glücksfall, dass sich die Katastrophe an einem Sonntag ereig-
net hatte, da so die am Bach liegenden Schmiedewerkstätten nahezu menschenleer
gewesen seien. Der wirtschaftliche Schaden sei jedoch enorm, von Stolz beziffert ihn
mit 85.000 Gulden. Auch die nicht verwüsteten Werkstätten seien in ihrer Arbeit
beeinträchtigt, da viele Betriebe auf vorgefertigte Teile aus den zerstörten – da direkt
am Bach situierten – Fallhammer-Schmieden angewiesen seien.163
Noch im Jahr 1816 erinnert Pfurtscheller als Ortsvorsteher an das Unglück des
Jahres 1807. In der Einleitung zu einem Aufruf an die „Wertheste[n] Gemeinde
Nachbarn“, sie sollten sich am Archbau164 an der Ruetz, dem Bach, der das ganze
Stubaital durchfließt, beteiligen, schreibt er:
„Die nachwehen des Wasserunglückes vom Jahr 1807 empfinden wir leider noch hart, in-
dem noch manche Grundstücke, – und Werkstädten oder deren Wasserleitungen, noch
nicht Urbar gemachet, und mit erforderliche Archen eben nicht versichert sind.“165
Nicht nur aus ganz Tirol, von Stolz hebt besonders die Freigiebigkeit der Einwohner
von Innsbruck und Bozen hervor, auch aus Bayern trafen bald nach der Katastrophe
Geld- und Naturalienspenden ein.166 Auch Michael Pfurtscheller berichtet gegenüber
Joseph Rapp von der bayerischen Hilfsbereitschaft nach der Naturkatastrophe von
1807:
„Die damalige k.b. zwischen-Regierung war äusserst thättig daß Ellend der beschädigten
Unterthanen zu lindern, und bewirkte nicht nur in der Provinz Tirol, sondern auch im
ganzen Umfange des Königreich Bayern milde Sammlungen, aus diesen wurden obbemel-
163 Vgl. „Nachträglicher Bericht“ von Joseph von Stolz, 15. Oktober 1807, TLMF-Bib., Statistische
Nachrichten vom Thale Stubay, Dip. 1035/III, Bl. 12–16; sowie: Andreas Alois Dipauli, „Bemer-
kungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Innsbruck, im J. 1814. Von Andr. Alois
de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S. 26.
164 Als „Archen“ bezeichnete man laut Otto Stolz bereits im 13. Jahrhundert die Uferschutzbauten an
Flüssen und Bächen. (Vgl. Otto Stolz, Geschichtskunde der Gewässer Tirols (Schlern-Schriften 32),
Innsbruck 1936, S. 280–292; sowie: Ernst Neweklowsky, Die Schiffahrt und Flößerei im Raume der
oberen Donau, Bd. 1, Linz 1952, S. 141 f.)
165 Pfurtscheller an die Einwohner von Fulpmes, 2. November 1816, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP,
II, Bund 1, Nr. 15.
166 Vgl. „Nachträglicher Bericht“ von Joseph von Stolz, 15. Oktober 1807, TLMF-Bib., Statistische
Nachrichten vom Thale Stubay, Dip. 1035/III, Bl. 14; sowie: Schennach, Revolte, 2009, S. 235;
sowie: J. Egger, Geschichte Tirols 3, 1880, S. 431 f.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435