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3.3. 1809 107
zeichnet221, an Gerichtsanwalt Elias Domanig in Schönberg hervor. In dem Schrei-
ben vom 29. August 1809 heißt es:
„Sobald der gesamte Ger. Ausschuß von Stubaj mir einen Vorschlag machen wird, wie auf
was art das Hofgericht Stubaj ohne Unkosten des Aerariums, welches dermal möglichst
für Sparsamkeit besorgt seyn muß, wieder behörig restauriret werden kann, als dann wird
weitere Entschließung folgen. Inzwischen wird nach dem Wunsche der Gerichts Ausschüsse
Jos. v. Stolz bey der hiesigen Schutz Deputazion verwendet werden.“222
Die bayerischen Umgestaltungen auf dem behördlichen Sektor stießen bereits un-
mittelbar nach ihrer Einführung 1807 vielerorts auf wenig Gegenliebe. „Die Un-
tertanen vermissten“, so Margot Hamm, „den direkten und einfachen Kontakt zur
Verwaltungsbehörde, die mit allen Besonderheiten des Bezirks vertraut und jederzeit
verfügbar war. Die Behörde wurde [im Zuge der bayerischen Reformen] zu einer
fremden, weit entfernten Instanz, von der man Anweisungen erhielt und kontrolliert
wurde, die aber nicht in der Lage war, auf die kleineren Beschwerden der Bevölke-
rung Rücksicht zu nehmen.“223
Landrichter von Lama sah die Sache anders. Er vermutete hinter den Bestrebungen
der Stubaier Bezirksausschüsse weniger die Bedürfnisse der Allgemeinheit, als viel-
mehr die Privatinteressen einiger weniger.224 Wie breit der Rückhalt für das Vorgehen
der Bezirksausschüsse wirklich war, lässt sich nicht beurteilen. Auf die Forderung
von Lamas an die Gemeinden des Stubai, zu ihren Positionen in der Angelegenheit
schriftlich Stellung zu beziehen225, waren sich diese hinsichtlich der Notwendigkeit
eines ständigen Aktuariats im Stubai jedenfalls einig. Die Stellungnahme der Ge-
meinde Fulpmes wird außerdem bekräftigt von fünfzig Unterschriften, darunter auch
221 Da es sich um eine Abschrift handelt, lässt sich nicht mehr feststellen, ob das Original Hofers Un-
terschrift aufwies. (Vgl. Oberhofer, Weltbild, 2008, S. 340.)
222 Unterlagen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib., FB 1651, Periode IV, Nr. 1; in edierter Form zu finden
bei: Oberhofer, Weltbild, 2008, S. 340; sowie: J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 640, Anm. 2.
223 Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 146.
224 Vgl. Bericht von Lamas an das Generallandeskommissariat, 20. Januar 1807, TLA, GLK für Tirol,
Karton Nr. 7, V/I/DI/1; sowie: Bericht von Lamas an das Generallandeskommissariat, 13. April
1807, TLA, GLK für Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
225 Bezirksanwalt Elias Domanig wurde am 15. Januar 1807 damit betraut, die Stellungnahmen der
Gemeinden zu sammeln und dem Landrichter zu übermitteln. Aufgrund einer Reise verhindert,
bevollmächtigt Domanig am 16. Januar Michael Pfurtscheller, „die erfolgende Äußerung zu Papier
zu sezen, solche in meinem Namen zu Unterzeichnen, und an das Königliche Landrichteramt einzu-
reichen.“ (Vollmacht von Elias Domanig für Michael Pfurtscheller, 16. Januar 1807, TLA, GLK für
Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435