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3.3. 1809 111
kommissars des Innkreises, Maximilian Graf von Lodron241, an den König vom 10.
Oktober 1809. Von Lodron schildert die Misere der Bauern:
„Die Abschaffung des österreichischen Papiergeldes, so nötig sie war, hat viele Untertanen
im Vermögen geschädigt. Plötzlich fiel der Nominalpreis der Güter, während die darauf ge-
liehenen Kapitalien in viel höherem Verhältnis zurückgezahlt werden mussten. Viele Guts-
besitzer gerieten dadurch und durch den sinkenden Preis der Erzeugnisse in große Not,
es gab viele Gantprozesse [Konkursverfahren], wo wieder große Verluste herauskamen.“242
Im Stubaital war vor allem auch der Handel mit Metallwaren und infolgedessen
auch deren Produktion stark von den wirtschaftlichen Folgen der Angliederung
Tirols an das bayerische Königreich betroffen. Dabei war der Handel der bayeri-
schen Herrschaft anfänglich durchaus positiv gegenübergestanden.243 Man hatte
sich von der Zugehörigkeit zu Bayern, seit Jahrhunderten einer der Haupthan-
delspartner Tirols, vereinfachten Zugang zum großen Absatzmarkt im Norden,
sowohl für landwirtschaftliche als auch für (proto)industrielle Produkte, verspro-
chen. Die Integration in diesen bayerischen Wirtschaftsraum vollzog sich aller-
dings nur stockend.244 Es blieb jedoch nicht nur die erhoffte Verbesserung der
Situation aus. Der durch die vorangegangenen Kriegsjahre ohnehin schon arg ge-
beutelte Handel geriet in den ersten Jahren bayerischer Regierung noch tiefer in
die Krise. Joseph von Stolz, wie bereits erwähnt kurz zuvor als exponierter Aktuar
des Landgerichtes Innsbruck in Schönberg aus dem Beamtendienst geschieden,
zeichnete angesichts der wirtschaftlichen Lage im Stubai ein düsteres Zukunfts-
szenario. Es drohten „Stockungen aller Gewerbe und des Kunstfleißes überhaupt,
sonderbar aber 1. Ein fallender Anwerth der Häuser, Werkstätten und der Gründe,
2. Eine starke Entvölkerung des Gerichtes, durch Auswanderung brodloser Fabri-
241 Maximilian Graf von Lodron (1757–1823) war von 1808 bis zum Ausbruch des Aufstandes 1809
Generalkommissar des Innkreises. Er wurde am 12. April 1809 gefangengenommen und in Klagen-
furt interniert. Erst im Mai konnte er nach München ausreisen. (Vgl. Albrich/Sila, Schwarzbuch,
2010, S. 199; sowie: Granichstaedten-Czerva, Die bayerischen Landrichter, 1962, S. 209.)
242 Bericht Maximilian Graf von Lodrons an den König, 10. Oktober 1809, zitiert nach: J. Hirn, Tirols
Erhebung, 1909, S. 36.
243 „Uebrigens flößten die erhabenen Gesinnungen unserer gnädigen Landesregierung den Fabrikanten
die größte Hoffnung ein, daß bald durch vortheilhafte Verfügungen der Absatz der Stubayer Waren
in den königlich bayerischen Staaten erweitert und begünstigt werden wird.“ (Johann von Anreiter
beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusam-
mengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr. 6.)
244 Vgl. Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 267–269; sowie: J. Hirn, Tirols Erhebung,
1909, S. 43 f.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435