Page - 129 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Image of the Page - 129 -
Text of the Page - 129 -
3.3. 1809 129
Bericht, mindestens 348 Mann gewesen, die am 11. April 1809 zur Gallwiese be-
ziehungsweise auf den Bergisel ausrückten. „Von hier“, also aus Fulpmes, seien 124
Mann ausgerückt. „Nur 124“, bemerkt Pfurtscheller, und fügt erklärend hinzu, dass
zwar in den 126 Häusern des Ortes 224 waffenfähige Männer wohnten, dass jedoch
„aus Mangel an Feuergewehren“ lediglich 124 von ihnen ausrückten.316 Ganz andere
Zahlen ergeben sich aus einem nicht datierten Notizzettel aus Pfurtschellers Hand,
der sich in dessen Nachlass findet. Zwar gibt er auch hier 348 als die Zahl der am
11. April 1809 Ausgerückten an, doch seien davon 140 in Neustift, 58 in Telfes
und Kreith, 69 in Mieders und Schönberg und lediglich 81, und nicht wie an das
Landgericht Matrei berichtet 124, in Fulpmes wohnhaft gewesen.317 Wiederum ganz
andere Angaben macht Pfurtscheller in der Abschrift eines Schreibens vom 30. Juni
1809 – also sehr zeitnah zum Geschehen – an einen Joseph Kirchmair, „Defensi-
ons-Delegierten in Innsbruck“318. Das Schreiben ist ergänzt durch eine Standesliste
der waffenfähigen männlichen Fulpmer Bevölkerung zwischen 18 und 50 Jahren.319
316 Vgl. Entwurf Bericht Pfurtschellers betreffend 1809 an das LG Matrei, 18. März 1819, TLMF, Hist.
Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 79; vgl. auch: Hueber, Michael Pfurtscheller, 1891, S. 10.
317 Vgl. Verzeichnis der Stubaier Mannschaften bei den Auszügen 1809, o. D., TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 73.
318 Rudolf Granichstaedten-Czerva erwähnt einen Josef Kirchmair (1787–1877), als „Veteran 1809“.
(Vgl. [Rudolf von] Granichstaedten[-Czerva], Tiroler Freiheitskämpfer, in: Tiroler Anzeiger, Nr. 288,
14./15. Dezember 1935, S. 10.) „Das Schwarzbuch der bayerischen Polizei Innsbruck 1809“ nennt
einen gewissen „Kirchmajr“ als „Anhang“ des Joseph von Atzwanger, Major der Innsbrucker Bür-
germiliz und Polizeichef der Landeshauptstadt. An anderer Stelle wird er als „Appellations-Kanzlist“
von Trient bezeichnet. Ob es sich hier um den Adressaten der Stubaier Standeslisten handelt, ist je-
doch unklar. Die Herausgeber des „Schwarzbuchs“, Albrich und Sila, konstatieren im biografischen
Teil ihres Buches, dass über den Appellations-Kanzlisten Kirchmair „keine weiteren Informationen
vorhanden“ sind. (Vgl. Albrich/Sila, Schwarzbuch, 2010, S. 108, 112 u. 187.)
319 Diese Standesliste gibt Aufschluss über die Alters-, Sozial- und Berufsstruktur der Mannschaft. Ins-
gesamt sind 135 Personen angeführt, die sich in folgende Altersgruppen unterteilen lassen: 58 sind
zwischen 18 und 25, 36 zwischen 26 und 35, 33 zwischen 36 und 45 sowie 8 zwischen 45 und 50
Jahre alt. Bis auf sechs Ausnahmen sind alle waffenfähigen Männer zwischen 18 und 50 ledig. Die
Berufsstruktur ist bezeichnend für die wirtschaftliche Ausrichtung des Dorfes in dieser Zeit. Der
ausgeübte Beruf wird bei 132 der 135 aufgelisteten Männer angegeben. Darunter sind 86 Personen,
deren wirtschaftliche Existenz unmittelbar auf der Produktion von und dem Handel mit Eisen- be-
ziehungsweise Metallwaren ruht (sechs der angeführten Personen verdienen ihren Lebensunterhalt
als Tagelöhner und wären daher eventuell ebenfalls dem Metallgewerbe zuzuordnen). Die zweit-
größte Gruppe stellen die in der Landwirtschaft Tätigen, insgesamt 23 Bauernknechte werden ange-
führt. Die übrigen 18 Personen üben meist handwerkliche Berufe aus (zum Beispiel Zimmerleute,
Schuster, Schneider, Metzger, Müller, Gärber, Drechsler, Binder). Keiner der angeführten 132 Män-
ner erwirtschaftet seinen Lebensunterhalt als „Bauer“. Michael Pfurtscheller selbst wird in der Liste
nicht angeführt. Er unterzeichnet die Liste jedoch als „Anführer“, war also natürlich auch Teil des
Aufgebotes. (Vgl. Standesliste Fulpmes an Joseph Kirchmair, 30. Juni 1809, TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 49.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435