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3.3. 1809 131
seph Rapp schildern die Ereignisse dieses Vormittags in der gleichen Weise, Ersterer
präzisiert jedoch den Zeitpunkt des zweiten Vorstoßversuches vom Bergisel aus auf
die Zeit zwischen neun und zehn Uhr vormittags.324 „Um zehn Uhr am Vormittag
war die Stadt vom Tiroler Landsturm eingenommen und Kinkel325 kapitulierte“, so
Schennach kurz und bündig.326 Michael Pfurtscheller schildert den Morgen des be-
sagten Tages etwas ausführlicher, jedoch auch weniger eindeutig. Besonders seine
Darstellung des ersten, fehlgeschlagenen Angriffsversuchs ist bemerkenswert:
Man war wohl schon „in etlichen Gruppen“ auf die Ebene am Fuße des Bergisel in
die Wiltener Felder vorgerückt,327 als der Plan entstanden sein dürfte, sich direkt ins
Dorf Wilten hineinzuwagen. Pfurtscheller erklärt hierzu in einem Schriftstück, das in
der Materialiensammlung Joseph Rapps zu finden ist, er habe von diesem Unterneh-
men abgeraten. Es sei die „Aneiferung“ Schandls328, Hauptmann des Aufgebotes aus
Ellbögen, und des Joseph Tanzer aus Mutters gewesen, auf die hin „die Kreit Mutter
u. Natterer auch die Meisten Stubajer329 den Iselberg“ verließen, um in den unteren
Teil von Wilten, einige Hundert Meter nördlich der Pfarrkirche vorzudringen.330
„Um 5 Uhr war, den 12 April daß Zusam treffen am Iselberg von die Landleute verabre-
det, gegen meinen Rath verließen die Kreit Mutter u. Natterer auch die Meisten Stubajer
den Iselberg – rükten von Ingrimm und Muth beseelt v. den Berg bis auf die ebene in den
Untern Dorftheil Wilten hinab, nach kurzen Plänkele mußten die unsrigen der Reitterei u.
feindlichen Infant weichen, bej ihrer rükkehr gehorchten mir selbe lieber u. ich stellte die
324 Vgl. Hueber, Michael Pfurtscheller, 1891, S. 10 f.; sowie: Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 102 f.
325 General Georg August Freiherr von Kinkel (1741–1827) hatte bereits eine lange militärische Kar-
riere hinter sich. (Vgl. Blaas, Josef Daney, 2005, S. 423 f.) Im April 1809 war er der Kommandant
der bayerischen Truppen in Tirol. „Die bayerischen Truppen in Tirol unter Kinkel beliefen sich ein-
schließlich der 700 Mann starken Besatzung der Festung Kufstein auf rund 5300 Mann. Das Gros
wurde bewusst zur Sicherstellung eines raschen Abzugs in Innsbruck stationiert, je ein Bataillon mit
geringerer Artillerieunterstützung in Sterzing und Brixen.“ (Schennach, Revolte, 2009, S. 119.)
326 Schennach, Revolte, 2009, S. 121.
327 Vgl. Pfurtscheller an Rapp zu den Ereignissen im April, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp,
Schuber 18 e, Nr. 8.
328 Dieser habe, so Pfurtscheller, ja schon in der Nacht zuvor – Joseph Rapp deutet an im betrunkenen
Zustand – vorgeschlagen, in die Stadt einzufallen. (Vgl. Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Er-
gänzung zur Schilderung von 1819, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9;
sowie: Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 139.)
329 An anderer Stelle erwähnt Pfurtscheller auch die Aufgebote von Patsch und Ellbögen. (Vgl. Pfurt-
scheller an Gebrüder Carnelli, 3. Juni 1837, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 85.)
330 Vgl. „Concept“ Pfurtschellers zu Kämpfen 11.–13. April 1809, o. D., TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, III, Bund 2, Nr. 82; sowie: Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Ergänzung zur Schilderung
von 1819, o. D., TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435