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3.3. 1809 135
Volk der ‚Kotlackler‘“ aus den Vorstädten von Innsbruck gewesen, das in räuberischer
Absicht die Gassen durchstreifte. Mit der Aufstellung von Wachposten hätten „die
Bauern“ hier jedoch das schlimmste verhindert, so Hirn.344
Dass jedoch auch die Stubaier Mannschaft infolge des Sieges über die bayerischen
Truppen keineswegs durch außerordentliche Disziplin auffiel, wird aus den Berichten
Pfurtschellers mehrfach ersichtlich.345 Die ausgezogenen Landstürmer folgten über
weite Strecken ihrer eigenen Logik und nicht den Anordnungen ihrer Anführer. Auch
beim erwähnten ersten Angriffsversuch am Morgen des 12. April hatten sich ja be-
reits einige Stubaier dem „Rat“ Pfurtschellers widersetzt. Als es nun später darum
ging heimzukehren, wird die schwache Position Pfurtschellers als Kommandant noch
einmal sichtbar. Nachdem er mit den zweien noch bei ihm verbliebenen Stubaier
Landesverteidigern einen Sammelpunkt an der Wiltener Pfarrkirche vereinbart hatte,
sei er in die Stadt gegangen, um „seine“ Mannschaft zu suchen:346
„Ich gieng in alle nähere Wirthshäuser – und ersuchte[!] Jung u. Alte zur Haimkehr! (weil
im Rausch gerne fatale Geschichten sich ergeben) etwa um 1 Uhr N.M. kam ich Samt einen
guten Theil auf den Sammelplatz nach Wilten;“347
Wenig später, in einem Schreiben an Gerichtsanwalt Elias Domanig vom 18. Mai
1809, zeigt sich Pfurtscheller aufgrund seiner in den ersten beiden Monaten der
Erhebung, April und Mai, gesammelten Erfahrungen als Kritiker des Landsturmes.
Die militärische Effizienz leide erheblich unter dem Mangel an Disziplin und Orga-
nisation:
344 Vgl. J. Hirn, Tirols Erhebung, 1909, S. 316.
345 Joseph Rapp findet klare Worte für den Mangel an Disziplin und Organisation auf der Seite der
Tiroler Aufgebote: „Hatten auch die Streiter aus dem Thale Stubai den Michael Pfurtscheller, jene
von Ellbögen, Patsch etc. den Schandl und die von Axams und dortiger Gegend den Bucher zu An-
führern; so war doch von einer Unterredung, Disziplin und Folgsamkeit keine Rede.“ (Rapp, Tirol
1809, 1852, S. 102.) Auch Martin Schennach geht auf die Unorganisiertheit der Tiroler Aufgebote
in den Apriltagen ein. Das eigenmächtige Sich-Entfernen von „der Truppe“ kam ebenso ebenso häu-
fig vor wie Räubereien und Plünderungen. (Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 120 f., S. 445–451 u.
S. 472–483.)
346 Auch in einem anderen Bericht Pfurtschellers an Joseph Rapp scheint durch, dass das Vertrauen in
die Disziplin der Landesverteidiger, und nicht zuletzt in die der eigenen Mannschaft nicht beson-
ders groß war. Als Anführer sei er, Pfurtscheller, bestrebt gewesen, die Ordnung aufrechtzuerhalten:
„Hernach ging [ich] in der Absicht in die Stadt – um meine Gem Leute [Gemeindeleute] zusam-
meln, um Excesse zu vermeiden […]“. (Pfurtscheller an Rapp – Nachträgliche Bemerkungen, o. D.,
TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 5.)
347 Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Ergänzung zur Schilderung von 1819, o. D., TLA, Materiali-
ensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435