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142 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
wieder aufbieten lassen, sollte sich etwas an der Situation verändern.371 Weit weniger
entschlussfreudig präsentiert sich Pfurtscheller im zweiten Bericht, in dem er angibt,
die Nachricht vom Anrücken gegnerischer Verstärkung „nach Ein Uhr N.M.“ er-
halten zu haben. Es handelt sich hier um das bereits mehrfach erwähnte Schreiben
an die Gebrüder Carnelli. In der folgenden Passage erscheint Gerichtskassier Do-
manig als zentraler Entscheidungsträger auf der Seite der Stubaier. Nicht Domanig
sei auf Pfurtscheller zugegangen, um sich zu erkundigen, Letzterer gibt nun an, den
Gerichtskassier bewusst aufgesucht zu haben, um sich mit diesem hinsichtlich des
weiteren Vorgehens zu beraten. Aus dem Rat Domanigs, sich vorerst zurückzuziehen,
wird hier nun ein Wunsch:
„Ich sammelte meine Leute hurtig u. zog Schönberg zu, um mich mit den damalig Kassier
Domanig zu berathen – derselbe wünschte daß ich mit meiner schwachen Schaar (viele
über Kreit und Galenhof [Gallhof – ein zur Gemeinde Telfes gehörender, einzelner Hof]
einzeln haimgekehrt) zurückgehen möchte! Er wole uns schon wieder aufbiethen lassen!“372
Tatsächlich wurde dann gegen Mitternacht Alarm geschlagen.373 Die gegnerischen
Truppen hatten Schönberg nordwärts passiert. Wiederum unter Pfurtschellers Füh-
rung zog das Aufgebot aus Fulpmes nach Schönberg und weiter die Brennerstraße hi-
nab, um deren Verfolgung aufzunehmen. Nach einer kurzen Unterredung mit Schup-
371 Vgl. ebd.
372 Pfurtscheller an Gebrüder Carnelli, 3. Juni 1837, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr.
85. – Auch hier wird angesichts des eigenmächtigen Heimgehens einiger Landesverteidiger wiederum
deutlich, wie niedrig der Organisierungsgrad der Aufgebote in diesen Tagen war. Die Vorstellung von
militärischer Disziplin und Gehorsam gegenüber einem Anführer muss angesichts des offensichtlich
über weite Strecken eigenmächtigen Handelns der Landesverteidiger relativiert werden.
373 Im Werk Joseph Rapps treten Michael Pfurtscheller und die Stubaier erst an diesem Punkt wieder in
Erscheinung. Pfurtschellers Schilderungen vom Erhalt der alarmierenden Botschaft Domanigs und
der folgenden Beratungen in Schönberg erwähnt Rapp nicht. Er spricht von einer aus Schönberg
einlaufenden Nachricht eines unbekannten Schreibers, die im Laufe des Nachmittags und Abends
des 12. April in Innsbruck die Runde machte. In seiner dem Manuskript seines Werkes in der Bib-
liothek des TLMF angeschlossenen Quellensammlung präsentiert Rapp das Original dieses Schrei-
bens. Der Hinweis darauf, die anrückenden gegnerischen Truppen würden in Steinach „abkochen“
fehlt hier. Es handelt sich um einen Aufruf, Verteidigungsvorbereitungen zu treffen. Das Schreiben
ist datiert mit „Schönberg am 12. April 1809 um ¾ auf 2 Uhr.“ (Vgl. Unterlagen zu J. Rapp Tyrol
1809, TLMF-Bib., FB 1648, Periode I, Nr. 27.) Pfurtschellers Hinweis, es könnte sich beim Au-
tor der Botschaft um Elias Domanig handeln, ignoriert Rapp. Außerdem, wie bereits angedeutet,
lässt Rapp das Stubaier Aufgebot und Michael Pfurtscheller ohne weitere Umschweife heimkehren,
eine neuerliche Alarmierung, und hier verwendet Rapp wieder die Informationen aus Pfurtschellers
Bericht (Pfurtscheller an Rapp – Nachtrag und Ergänzung zur Schilderung von 1819, o. D., TLA,
Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 9.), erfolgt dann erst um Mitternacht.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435