Page - 162 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Image of the Page - 162 -
Text of the Page - 162 -
162 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
die im Unterland bei Volders unter Buol und Veyder verbliebenen österreichischen
Truppen hätten erhebliche Schwierigkeiten gehabt, die Tausenden Landstürmer in
der Umgebung zu „beherrschen“, so Schennach.474 Viktor Schemfil schildert die cha-
otischen Szenen in der Gegend um Volders drastisch und zitiert aus dem Feldtage-
buch Veyders:475
„[…] jemand, der nicht selbst in der Lage war, macht sich kaum einen Begriff, wie schwer
es ist, mit Einklang eine solche bewaffnete Volksmenge zu leiten und zu lenken, bei welcher
schon eine Gattung Anarchie eingerissen ist.“476
Aus den Materialien in Pfurtschellers Nachlass ergibt sich ein ambivalentes Bild des
Verhältnisses zwischen den Landstürmern und den Offizieren der regulären Truppen.
Pfurtscheller erwähnt in seinem Schreiben an die Gemeinde Fulpmes, von General
Buol Befehle erhalten zu haben.477 Zwei im Nachlass Pfurtschellers überlieferte Be-
richte an Veyder weisen ebenfalls darauf hin, dass die Stubaier Landsturmaufgebote
„vor Ort“ von Offizieren der regulären Truppen koordiniert und auch mit Munition
versorgt wurden.478 Wie von Veyder angedeutet, war das Verhältnis zwischen den
Offizieren und den Landsturmaufgeboten jedoch nicht ganz ungetrübt.479 Das geht
gebote schlichtweg zu schwach. (Vgl. Schemfil, Freiheitskrieg, 2007, S. 99–101; sowie: Schennach,
Revolte, 2009, S. 124.)
474 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 124 f.
475 Vgl. Schemfil, Freiheitskrieg, 2007, S. 104 f.
476 Franz Karl von Veyder, Journal der Kriegs-Begebenheiten und sonstigen täglichen Vorfälle im Feld-
zuge von 1809. Das 8. Armeekorps unter Commando des Herrn General Feldmarschalllieutnants
Marquis von Chasteler betreffend, 12. September 1810, TLMF-Bib., FB 2071, Nr. 1, S. 104 f.
477 Vgl. Pfurtscheller an Gemeindevorstehung Fulpmes, 14./15. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 26. – Auf von österreichischen Offizieren erlassene Befehle an die
Landstürmer weist auch eine in der Unterlagensammlung zu Joseph Rapps Werk überlieferte schrift-
liche Anweisung des Oberstleutnants Reißenfels an den Landsturmkommandanten von Neustift
hin. (Vgl. Unterlagen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib., FB 1649, Periode II, Nr. 46.)
478 Vgl. Berichte Pfurtschellers an Veyder, 15. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2,
Nr. 25.
479 Nur mit „Degenfuchteln“ und „nachdrücklichen Faustschlägen“ sei es gelungen, den Keller des
Servitenklosters in Volders vor Plünderern zu schützen. Besondere Unordnung sei jeweils auch bei
der Munitionsvergabe aufgekommen, so Veyder. Es habe an „Unteranführern“ gefehlt, die die An-
weisungen der Militärs weitergeben konnten. Ohne solche sei er gezwungen gewesen, „Tausende von
Menschen, die sich um mich herum drängten mit zuletzt erschöpfter Stimme die Verhaltungsbefehle
zu wiederholen und begreiflich zu machen“. (Vgl. Franz Karl von Veyder, Journal der Kriegs-Bege-
benheiten und sonstigen täglichen Vorfälle im Feldzuge von 1809. Das 8. Armeekorps unter Com-
mando des Herrn General Feldmarschalllieutnants Marquis von Chasteler betreffend, 12. September
1810, TLMF-Bib., FB 2071, Nr. 1, S. 105 f.)
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435