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3.3. 1809 169
Ein Exemplar des daraus resultierenden Schreibens an die „lieben Nachbahrn und
Kameraden“ – ausgestellt in Fulpmes, um sechs Uhr früh am folgenden Tag – findet
sich im Nachlass Pfurtschellers. Michael Falbesoner verfasste es in der Ich-Form – aus
Pfurtschellers Perspektive – und argumentiert mit der für Österreich unvorteilhaften
Lage auf den Hauptkriegsschauplätzen: 507
„Ich wahr gestern auf dem landhause zu Innsbruck, und erfuhr gründlich, das Erzherzog
Karl, mit seiner Armee schon über Wien zurück gedrängt worden seye, und das Prinz Jo-
hann bereits bis Gratz rettiriert habe. Alle Vertheidigung von die Bauren kann nichtmehr
hinreichen die Feinde zu bekämpfen, und das alle weittere Vertheidigung unser Vatterland
nur noch in größeres Unglick stürzen würde. Als wahrer Freund aller meiner Nachbahrn,
bitte alle die noch auß Fulpmeß gegen den Feind stehende bewafnete Mannschaft eilligst
zurück nach Hauß kehren sollen.“508
Zum Rückzug der restlichen Stubaier Landstürmer finden sich leider keine Hinweise
in den Quellen. Im bereits mehrfach zitierten Schreiben an den leider unbekannten
„Hr. Professor“509 aus dem Jahre 1833 berichtet Pfurtscheller jedoch ausführlich von
seiner Rückreise aus den Stellungen des Landsturmes bei Vomp nach Innsbruck.510
Er berichtet von einer bemerkenswert entspannten Stimmung zwischen den anschei-
nend eben noch so wütenden heimkehrenden Landstürmern und den nach Innsbruck
vorrückenden bayerischen Truppen. Die vormaligen Gegner habe man auf dem Weg
und in den diversen Gasthäusern zusammensitzen, sich unterhalten und gemeinsam
trinken gesehen. „Ein buntes Gemische“, so Pfurtscheller, man hätte meinen mögen
„Oel und Wasser würde sich nicht so leicht vereinbaren“ lassen, bemerkt er weiter.511
507 Bei der Handschrift handelt es sich nicht um die Pfurtschellers. Der Schluss, dass es sich um die
Handschrift Michael Falbesoners handelt, beruht auf der Anweisung Pfurtschellers im Schreiben
vom Vorabend, „Hr. Falbesoner“ solle die Rückzugsaufforderung verfassen.
508 Rückzugsaufforderung an die Stubaier Sturmmannschaft, 19. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 38.
509 Vgl. Anm. 357.
510 Zentral ist in Pfurtschellers Darstellung hier die Anekdote, wie er den ihm bekannten Landstürmer
Georg Miller bei Hall mit den Worten „Nein Jörgl, behalt dein Gewehr, es ist so kapituliert worden
[…]“ davon abgehalten habe, angesichts sich nähernder bayerischer Kavalleristen in Panik seine
Waffen in einen nahen Bach zu werfen. Dies wurde auch von Adolf Hueber ausführlich in die Be-
schreibung des Lebens Pfurtschellers eingebaut. (Vgl. Pfurtscheller an „Hr. Professor“, 25. August
1833, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 77; sowie: Hueber, Michael Pfurtscheller,
1891, S. 17.)
511 Pfurtscheller an „Hr. Professor“, 25. August 1833, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr.
77.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435