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214 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Hilfe kommen werden; während unsere Feinde solche in Menge erlangen.‘ Mair sagte du
kanst Recht haben, und ging munter auf seinen Posten.“681
Die gegnerischen Kommandanten haben sich diesen Umstand zunutze gemacht und
bewusst den Allerheiligentag als Tag des Angriffs auf die Stellungen der Tiroler ge-
wählt, vermutet Pfurtscheller.682
Pfurtschellers Berichte zu den Tagen zwischen dem Ausrücken des Stubaier Auf-
gebotes am 22. Oktober und dessen Rückzug am 1. November sind also nicht ein-
deutig. Beispielhaft sei hier nochmals auf seine Angaben hinsichtlich des Datums
verwiesen, an dem er vom Friedensschluss von Schönbrunn erfahren haben will.
In vier Versionen seines Berichtes finden sich drei verschiedene Datumsangaben –
30., 27. beziehungsweise 26. Oktober 1809. In allen vier eben erwähnten Berichten
Pfurtschellers über die Ereignisse unmittelbar im Vorfeld des Bergiseltreffens vom
1. November 1809 positioniert sich Pfurtscheller jedenfalls mehr oder weniger ein-
deutig als Gegner der Fortsetzung des Widerstandes nach dem Bekanntwerden des
Friedens von Schönbrunn.683 Ob dies der Realität des Jahres 1809 entspricht, oder
681 Fragment Abhandlung 27. Oktober 1809 bis 20. Februar 1810, o. D., TLMF, Hist. Samml., Nachl.
MP, I, Bund 1, S. 8.
682 „[Da viele Landesverteidiger] schon am Vorabend Nachts – schaarenweise unser Lager verließen –
um in einer Kirch dieses Fest zu heiligen, dahero haten unsere Schanzen Menschenlücken, dieses
berechnet General Wreden […]“ (Ebd., S. 7.)
683 Laut Joseph Rapp habe sich die Situation in diesen Tagen generell so dargestellt, dass „die Mehrzahl
der Bauern wirklich an den Frieden glaubte und nur von den Schreiern der Krieg fortgesetzt werden
wollte“. (Rapp, Tirol 1809, 1852, S. 703.) – Auch in seinem Schreiben an Joseph Rapp vom 20.
September 1837 bringt Pfurtscheller deutlich zum Ausdruck, wie er seine Einstellung zu den Kämp-
fen nach dem Abschluss des Friedens von Schönbrunn verstanden haben will: „Mir war Ernst bis zur
Bekanntwerdung des Friedens ddo Wien 14 8ber 1809, allein der Vorsteher Dienst verband mich
bei der Sturmmannschaft bist 1 Novbr. am Iselberg zu bleiben (während andere Gem.Vorstände zu
Hause blieben) ich harrte bis ans Ende aus, […]“ (Pfurtscheller an Rapp – Begleitschreiben, 20.
September 1837, TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 18 e, Nr. 10.) Ein Jahr später erklärt
Pfurtscheller, „der liebe Hofer“ habe sich täuschen lassen und daher zur Fortsetzung des Aufstandes
aufgerufen. In diesem „irrigen, eigensinnigen veranstalteten Kampf“ sei „unschuldiges Blut“ geflos-
sen. (Vgl. Pfurtschellers „Kurzgefaßte Beiträge zur Kriegsgeschichte“, o. D. [1838], TLA, Landtags-
akten 1839, Fasz. 75, Nr. 1105, S. 14 [vgl. Anm. 6].) Auch in einer Passage aus einem Schreiben
Pfurtschellers an Rapp vom 29. Juli 1839 unterstreicht Pfurtscheller noch einmal seine Ablehnung
gegen die Fortsetzung der Erhebung nach Bekanntwerden des Friedens vom 14. Oktober. Bemer-
kenswert ist in der folgenden Passage auch, wie das Verhalten des Oberkommandanten Andreas
Hofer, der auch nach dem 1. November noch wiederholt zur Weiterführung des Aufstandes aufrief,
wiederum erklärt beziehungsweise entschuldigt wird: „Bis zum Wiener Frieden ddo. 14 8ber 1809
war ich für die Sache des Fürst u. Vaterland sehr zugethan; allein nach bekantwerdung dieses Trak-
tates – beweinte ich den Unglauben meiner Landesleute, welche leider die Übermacht – und den so
ungleichen Kampf nicht einsahen; Der biedere Hofer – wurde von seiner Kriegslustigen Umgebung
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435