Page - 216 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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216 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
„Als wir über die Plumisfelder auf der Höhe des Iselbergs gelangten, gaben nicht ferne von
uns stehende Bayern welche von der Seitte Gallwiese gekommen, auf uns Feuer, ich mahnte
meine Leute nicht zum Schiessen, sondern rufte ihnen mit Lauter Stimme zu – Männer
und Buben fürchtet euch nicht – sie schüßen ins Firmament viel zu hoch – folgt nur mir
nach! U. somit hatte ich aus ca. 500 die bei mir waren keinen verwundeten noch Todten,
was beschädigt wurde geschah in der Verschanzung;686 Nun zogen uns theils der Strasse
nach u. theils über Natters u. Mutters bis Raites [Raitis] zurück, da wurde halt gemacht
– und wer noch etwas Lebensmittel hatte – hastig genossen: Gegen 2 Uhr N.M. [nachmit-
tags] fragte mich endlich ein Neustifter Gg. Huber [Georg Huber]687 was ich meinen oder
Rathe? Ich erwiederte haimziehen! Nun sagte er wolle die Leute versammeln ich möchte
an sie eine Anrede halten: Gut – von Herzen gerne, alsdann stellte ich mich auf eine Bank
vorn Haus hinauf, u. Sprach: ‚Meine liebe Landsleute der Heutige Tag ist für uns unglück-
lich ausgefallen, wir mussten der Übermacht weichen, ich und andere welche diese Gegend
genau kennen, rathen von hier zurückzuziehen, weil die Feinde der Poststrasse nach gewis
schon bis Unterschönberg, u. wahrscheinlich schon bis Schönberg vorgerükt sind? Also
sind wir hier selbst im Rüken bedrohet, Folglich wäre es besser von da einwerts zu ziehen,
u. die weittere Befehle des Oberkommando Morgen abwartten!‘ Nach einer kleinen Pause
– schrie obiger Huber ‚i moinat Landsmander so wöll mirs machen‘ Ich stieg von der Bank
herab, gieng mit den Huber Stubaj zu – u. der Zahlreiche aus allerlej Gegenden bestehende
Schaarhauffe folgte uns ruhig nach.“688
686 In Pfurtschellers Bericht aus dem Jahr 1819 werden die Verluste des Stubaier Aufgebotes benannt:
„[…] die Stubajer verloren an diesen Schlußtage 2 Todte 3 Schwer und 4 leicht Verwundete auch 3
Gefangene.“ Die beiden Gefallenen waren demzufolge Johann Gleirscher aus Neustift und Joseph
Markart aus Gossensaß. (Entwurf Bericht Pfurtschellers betreffend 1809 an das LG Matrei, 18. März
1819, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 79.) Auch in der bereits mehrfach zitierten,
1835 erstellten, Verlustliste des Stubaitales werden zwei Gefallene genannt: Johann Gleinser [Gleir-
scher?] aus Neustift und Josef Markart aus Gossensaß. (Vgl. Verlustliste des LG Mieders, TLA, Abt.
LV., 1835/36, Fasz. 257, Buchhaltungsberichte über Defensionsforderungen von 1809, Verlustlisten
der Landgerichte des Kreises Unterinntal, LG Mieders; sowie in edierter Form: H. Kramer, Die Ge-
fallenen Tirols, 1940, S. 77.) Laut Pfurtschellers Bericht aus dem Jahr 1838 fielen am 1. November
1809 Joseph Markart und Johann Gleirscher. Entgegen seiner Darstellung aus dem Jahr 1819 spricht
Pfurtscheller hier jedoch von zwei Schwer- und vier Leichtverletzten sowie vier Gefangenen. Au-
ßerdem seien Pongratz Pfurtscheller, Blasius Kartnaller und Joseph Pfurtscheller aus Neustift kurze
Zeit später „an den Folgen ihrer Wunden“ gestorben. (Vgl. Pfurtschellers „Kurzgefaßte Beiträge zur
Kriegsgeschichte“, o. D. [1838], TLA, Landtagsakten 1839, Fasz. 75, Nr. 1105, S. 16 f. [vgl. Anm.
6].)
687 Georg Huber war der Anführer des Neustifter Aufgebotes. (Vgl. Standesliste Gemeinde Neustift
von 22. Oktober bis 1. November 1809, 16. Mai 1830, TLA, Standeslisten der Landesschützen und
Landsturmkompanien 1809, Bündel VII, Abt. 27, Gericht Mieders, Nr. 8.)
688 Pfurtscheller an Rapp – Begleitschreiben, 20. September 1837, TLA, Materialiensammlung Rapp,
Schuber 18 e, Nr. 10. – In Pfurtschellers Bericht aus dem Jahr 1838 heißt es zum Rückzug am
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435