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226 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
um den vormaligen kaiserlichen Intendanten von Tirol, Joseph von Hormayr, sam-
melte sich in Wien eine hauptsächlich aus Exiltirolern bestehende Gruppe, die die
Organisation eines neuerlichen Volksaufstandes in Tirol plante. Den Höhepunkt die-
ser Bestrebungen bildete dann schließlich der sogenannte „Alpenbund“. Unter der
Führung Erzherzog Johanns, den von Hormayr im Juli 1812 in seine Pläne einge-
weiht hatte, und mit maßgeblicher englischer Finanzhilfe, sollte sich im März 1813,
ausgehend von einem neuerlichen Aufstand in Tirol, der gesamte Alpenraum gegen
die „Tyrannei“ Napoleons erheben.727
Aus einer Tagebuchnotiz Johanns aus dem Januar 1811 werden die Hoffnungen
des Erzherzogs bereits ersichtlich:
„Wenn jemand Tirol vereinigen könnte, […] dadurch die Augen der Menschen auf sich
ziehen, und dann wenn der Würfel gefallen, die Bewohner der Alpen an die Bewohner
der deutschen Ebenen sich anschlössen, Deutschlands brave Völker zur Selbständigkeit zu
ermuntern und so einen neuen Föderativkörper bilden, dass nichts ihn sobald trennen, das
wäre eine herrliche Sache. Aus den Gebirgen entspringen die Wasser, diese beherrschen die
Ebenen – dort ist noch der Menschheit Kern, von da muss Rettung ausgehen. Wie hoch
schwellt mir die Brust, wenn ich denke, könntest du den Tag sehen, wo die Deutschen
brüderlich vereint, bieder, treu, kräftig und derb, wie ihre Vorfahren sich ihre Freiheit ge-
ben und unabhängig furchtbar stünden, – wo Frankreichs Volk verdorben, in der tiefsten
Erniedrigung versunken –, wie gern wollte ich dann sterben.“728
Der offiziellen Politik Österreichs, die in diesen Tagen vor allem die Handschrift des
Außenministers und neuen Leiters der Staatskanzlei Clemens Wenzel Graf Metter-
nich trug, liefen die Pläne des Alpenbundes massiv zuwider. Metternich verfolgte
eine Politik der Annäherung gegenüber Frankreich, in deren Windschatten er sich
eine Ruhepause für das militärisch und vor allem auch wirtschaftlich angeschlagene
Österreich erhoffte. Die Opposition gegen diese Strategie ließ er durch rigoroses
geheimpolizeiliches Vorgehen und strenge Zensur unterdrücken. Der Alpenbund
727 Vgl. Klier, Der Alpenbund, 1950; sowie: Hans Magenschab, Erzherzog Johann. Habsburgs grüner
Rebell, Graz–Wien–Köln 41995, S. 216–233; sowie: Bernhard Mertelseder, Die Wege zur Rückkehr
Tirols unter österreichische Herrschaft, in: Bernhard Mertelseder/Brigitte Mazohl/Johannes Weber,
1809 – und danach? Über die Allgegenwart der Vergangenheit in Tirol, Bozen 2009, S. 97–111,
hier: S. 97 f.
728 Das Tagebuch Erzherzog Johanns über die Zeit vom 14. September 1810 bis zum 21. Juni 1812
findet sich in Franz Krones’ „Aus Oesterreichs stillen und bewegten Jahren“ in edierter Form. (Vgl.
Franz von Krones, Aus Oesterreichs stillen und bewegten Jahren. 1810–1812 und 1813–1815, Inns-
bruck 1892, S. 86–170, hier: S. 107.)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435