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234 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Auch zwei Tage später, am 13. Oktober 1813, berichtet von Gasteiger, die Gerichts-
insassen verhielten sich vollkommen ruhig. Die Gemeindevorsteher der Talorte hät-
ten einstimmig versichert, „daß die Stimmung noch unverändert im allgemeinen gut
seye; und daß der Abscheu vor Anarchie weit überwiegend seye“.762
Im Dezember dann, als der Aufruhr – wie bereits erwähnt – nach Innsbruck ge-
tragen wurde, spitzte sich allerdings auch im Stubaital die Lage für den Landgerichts-
verwalter gefährlich zu. Er wurde im Zuge eines Außentermins in Telfes verhaftet
und dem oben erwähnten Alois Kluibenschedl vorgeführt, der in Schönberg sein
Quartier aufgeschlagen hatte. Die Unruhestifter seien jedoch, wie sich von Gasteiger
ausdrücklich zu betonen bemüht, keine Stubaier gewesen:
„Ich war in Telfes eben begriffen, das in der dortigen Gemeinds Versammlung in dem ange-
zeigten Betreffe geführte Protokoll zu schliessen, als eine Rotte von 15 Bewaffneten auswär-
tigen Burschen auf mich durch die Versammlung losstürmte, und mich unter Schimpfen
und Lästern zu ihren Arrestanten erklärte, und die Versamlung auseinanderjagen wollte.
[…] Nun versammelte sich die ganze Dorfgemeinde von Kindern, Weibern und Greisen
um die bereits zugen gewesten einheimischen Burschen und ihren Vätern und sah mich von
den jauchzenten zügellosen bewaffneten Burschen über Mieders im Triumpfe abführen.“763
Bereits am selben Tag noch seien er und die beiden anderen ebenfalls festgenom-
menen Gerichtsbediensteten wieder freigelassen worden, so berichtet von Gasteiger
weiter.764
„Bei den eigenen Landgerichts Unterthanen“ habe er „Unwillen über diesen
Vorfall“ in Telfes bemerkt. Dennoch leitete von Gasteiger umgehend zusätzliche
Vorkehrungen ein, die die Ruhe im Landgericht bewahren helfen sollten. Um das
Sturmläuten zu verhindern, habe er die Messner angewiesen, die Kirchturmschlüssel
in den Pfarrhöfen zu deponieren, außerdem sollten die Gemeindevorsteher – unter
diesen wohl auch Michael Pfurtscheller für Fulpmes – umgehend Versammlungen
einberufen, um die „Gemeinde Glieder […] vor Theilnahme an diesem Aufstande
zu warnen, und ihnen die unvermeidlichen Folgen hievon vorzustellen“.765 Diese
Vorkehrungen haben auch Wirkung gezeigt, so erklärt von Gasteiger überzeugt:
762 Vgl. Von Gasteiger an Generalkommissariat d. Innkr., 13. Oktober 1813, StAM, MA 7221, Nr. 418.
763 Abschrift von Gasteiger an Generalkommissariat d. Innkr., 11. Dezember 1813, BayHSta, MA
7006. – Diese Ereignisse vom 10. Dezember lassen sich auch in Ferdinand Hirns „Bayerisch Tirol
im Dezember 1813“ nachlesen. (Vgl. F. Hirn, Bayerisch Tirol, 1913, S. 28.)
764 Vgl. Abschrift von Gasteiger an Generalkommissariat d. Innkr., 11. Dezember 1813, BayHSta, MA
7006.
765 Vgl. ebd.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435