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238 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Dabei zeigt sich in den im Zuge der Huldigungszeremonie in Innsbruck 1838 von
Kaiser und Ständevertretern gehaltenen Reden, dass das ursprüngliche Motiv der
Versicherung von Treue gegenüber dem Herrscher im Austausch gegen die Bestäti-
gung althergebrachter Privilegien und Freiheiten durch diesen nicht mehr Inhalt der
Zeremonie war.781 Der Kaiser hatte den Tirolern, als diese ihm, repräsentiert durch
eine ständische Deputation, unmittelbar nach seiner Thronbesteigung in Wien einen
Huldigungsbesuch abgestattet hatten, allerdings bereits am 6. Juli 1835 zugesichert,
er würde es als seine „heilige Pflicht ansehen, die Grundsäulen dieser Nationalität,
die alten Rechte und Freiheiten Tirols, gewissenhaft und unversehrt zu bewahren“.782
Die Erbhuldigungszeremonie in Innsbruck, als einseitig geleisteter Treueschwur der
Untertanen vor dem Kaiser, der die anwesenden Ständevertreter im Gegenzug ledig-
lich seiner „kaiserlichen und landesväterlichen Huld und Gnade“ versicherte und
keineswegs Landesprivilegien oder -freiheiten bekräftigte, ist daher wohl lediglich als
zweiter, feierlich-formeller Teil der oben beschriebenen wechselseitigen Verpflichtung
zwischen Herrscher und Untertanen zu interpretieren.783
Im Rahmen der Feierlichkeiten in Innsbruck 1838 wurde jedenfalls wohl bewusst
darauf geachtet, das Prinzip der Gegenseitigkeit einer Erbhuldigung im Hintergrund
zu halten. Dieser Eindruck verfestigt sich auch angesichts Anton Emmerts „Ge-
schichtliche[r] Darstellung der Erblandämter der gefürsteten Grafschaft Tirol“, die
anlässlich der Erbhuldigung in Tirol 1838 herausgegeben wurde. Im darin enthalte-
nen Überblick über die Geschichte der Erbhuldigungen in Tirol wird zum einen der
bereits erwähnte, im Laufe der Jahrhunderte zunehmende Pomp der Feierlichkeiten
ersichtlich.784 Andererseits ist Emmerts Darstellung hinsichtlich der Verabschiedung
vom ursprünglichen Gegenseitigkeitsprinzip der Erbhuldigungszeremonie ebenfalls
eindeutig. Von einer Verpflichtung des Herrschers zur Erhaltung althergebrachter
Privilegien und Freiheiten ist hier keine Rede:
„Die Huldigung eines Landes ist eine feierliche Versicherung der Treue und des Gehorsams,
welche die Unterthanen ihrem neuen Landesherrn auf herkömmliche Weise leisten.“785
Einen ganz anderen Eindruck erweckt da wiederum Beda Weber, der in den einlei-
tenden Bemerkungen zu seinem 1839 erschienen „Denkbuch der Erbhuldigung in
781 Vgl. O. A., Aktenstücke der tirolischen Erbhuldigung, 1839, S. 14–17.
782 [Weber], Denkbuch 1838, 1839, S. 6.
783 Vgl. O. A., Aktenstücke der tirolischen Erbhuldigung, 1839, S. 14–17.
784 Vgl. Anton Emmert, Geschichtliche Darstellung der Erblandämter in der gefürsteten Grafschaft
Tirol, Innsbruck 1838, S. 1–20.
785 Ebd., S. 1.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435