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3.4. Erbhuldigung 1838 243
Ein derartig großer Aufwand, wie er offensichtlich von Michael Pfurtscheller im
Vorfeld der Erbhuldigung betrieben wurde, war – mit Blick auf den von Beda We-
ber verfassten Bericht über den Ablauf der Feierlichkeiten – keineswegs die Regel.
Im Gegensatz zu den Schützenkompanien aus dem Oberinntal, die laut Weber „fast
sämmtlich ohne augenfälligen Schmuck der Nationalkleidung, nicht einmal durch-
gängig im Glanze der plastischen Menschenform“ am Huldigungstag vor dem Kaiser
paradierten, machte die aufwändige einheitliche Ausstaffierung der Stubaier durch-
aus Eindruck. Zu den Kompanien aus dem Stubaital und aus Steinach am Brenner
bemerkt Weber lobend:805
„[…] die eigenthümlichsten und kräftigsten Schützen von Mittelinnthal, ein entschiedener
Gegensatz in Stamm und Bildung zu allen übrigen Nachbarn, […] feste, untersetzte Gestal-
ten, breitschulterig, mit ausdrucksvollen scharf ausgeprägten Gesichtern, […] eine solche
Anlage zum Riesenwuchse verrathend, daß man hätte meinen mögen, Einfluß von außen
habe die unermeßliche Fülle von Kern und Trieb gewaltsam in engere Formen gepreßt. […]
Ihre Kleidung trug wesentlich bei, sie allesamt siegreich herauszustellen. Die Stubaier tru-
gen schwarzgrüne, einfache Kitzbühelerhüte mit einer krummen Huifeder und grellfarbiger
Kokarde, schwarze Halbjoppen mit grünen Aufschlägen, schwarzlederne Hosen mit grünen
Hosenträgern und weiße Strümpfe mit Enkelstiefeln.“806
Die Koordination des Stubaier Beitrages zu den Erbhuldigungsfeierlichkeiten ob-
lag – entgegen den Ausführungen Beda Webers, eine Regierungsanweisung habe die
Behörden dazu angehalten, „dem Volk“ in der Organisation freie Hand zu lassen,
worauf sich „wie durch einen Zauberschlag“ Schützenkompanien gebildet hätten807
– in erster Linie dem Landgericht Mieders, mit dem Pfurtscheller daher in besonders
engem Kontakt stand. Davon zeugen eine ganze Reihe von Schreiben des Landrich-
ters von Guggenberg sowie die Abschriften einiger Antwortschreiben Pfurtschellers
aus den Monaten Juni bis August im Nachlass des Letzeren ebenso wie der in den
Akten des Landgerichts erhaltene, diesbezügliche Schriftverkehr.808 Das Landgericht
Mieders war es auch, das Michael Pfurtscheller in der Endphase der Vorbereitungen,
805 Vgl. [Weber], Denkbuch, 1839, S. 70–80.
806 Ebd., S. 73.
807 Vgl. ebd., S. 9.
808 Vgl. TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II, Bund 2, Nr. 1, 3, 10, 14–16, 21–24, 27, 29. – Noch
deutlicher zeigt sich die führende Rolle der Behörden im Vorfeld der Erbhuldigungsfeierlichkeiten
angesichts der in den Akten des Landgerichts Mieders erhaltenen Unterlagen. Aus diesen lässt sich
der Ablauf der Vorbereitungen sehr detailliert rekonstruieren. (Vgl. TLA, Aktenserie LG Mieders,
Fasz. 46, 1838–1839, Abt. XVI – 1838.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435