Page - 256 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Image of the Page - 256 -
Text of the Page - 256 -
256 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Polizei.856 Nach fünftägigen Straßenkämpfen sah sich das österreichische Militär dann
schließlich am 22. März zum Rückzug aus Mailand gezwungen, und auch in Venedig
konnten sich die kaiserlichen Truppen nicht halten.857 Doch damit nicht genug: Carlo
Alberto, König von Sardinien-Piemont, der selbst erst Anfang März unter liberalem
Druck eine Verfassung hatte zugestehen müssen,858 sah vor dem Hintergrund der Er-
eignisse in Mailand und Venedig seine Chance auf ein von ihm angeführtes, vereintes
Königreich in Italien gekommen. Er schickte seine Truppen in die Lombardei und
begann damit den Krieg gegen Österreich.859 Die Loslösung vom als Fremdregime
856 Vgl. Rumpler, Eine Chance, 2005, S. 290.
857 Vgl. Angelica Gernert, Italien 1848 – Revolution auf italienisch, in: 1848 Revolution in Europa.
Verlauf, politische Programme, Folgen und Wirkungen (Dokumente und Schriften der Europäi-
schen Akademie Otzenhausen 87), hg. v. Heiner Timmermann, Berlin 1999, S. 265–280, hier: S.
273–275; sowie: Rumpler, Eine Chance, 2005, S. 289–291; sowie: Rapport, 1848, 2011, S. 93–106.
858 Vgl. Gernert, Italien 1848., S. 273.
859 Vgl. ebd. S. 275; sowie: Simonetta Soldani, Annäherung an Europa im Namen der Nation. Die
italienische Revolution 1846–1849, in: Europa 1848. Revolution und Reform (Politik und Gesell-
schaftsgeschichte 48), hg. v. Dieter Dowe, Heinz-Gerhard Haupt u. Dieter Langewiesche, Bonn
1998, S. 125–166, hier: S. 144. – Bezüglich des Beginnes des Vormarsches der piemontesischen
Truppen sind die Autoren uneinig. Gernert nennt den 24. März als den Tag der Kriegserklärung
durch Carlo Alberto, Rumpler den 26. Laut Soldani wurde bereits am 23. März der Grenzfluss
Ticino überschritten. Davon geht auch Joseph Alexander von Helfert aus, der zusätzlich auch noch
betont, dass der Angriff ohne vorherige Kriegserklärung erfolgt sei. (Vgl. Joseph Alexander von
Helfert, Geschichte Oesterreichs vom Ausgange des Wiener October-Aufstandes 1848, Bd. 2: Re-
volution und Reaction im Spätjahre 1848, Prag 1870, S. 14.) Der Entschluss zur militärischen
Intervention in der Lombardei fiel wohl am Vormittag des 23. März, in einer Miniterratssitzung
unter Vorsitz von König Carlo Alberto. (Vgl. Giorgio Candeloro, Storia dell’Italia moderna, Vol. 3:
La Rivoluzione nazionale, Milano 21966, S. 180.) Die ersten Truppen hätten dann am Abend des 25.
März den Ticino überquert, so Candeloro. (Vgl. ebd., S. 182.) In einem Schreiben des österreichi-
schen Gesandten in Turin, Karl Ferdinand Graf von Buol-Schauenstein (Vgl. Wurzbach, Lexikon,
Bd. 2, 1857, S. 204–208), an die Staatskanzlei in Wien vom 24. März 1848 heißt es indessen, es
seien Gerüchte im Umlauf, die besagen, piemontesische Truppen könnten „heute“ – also am 24.
– bereits die Grenze des Kaiserreiches überschreiten. Seitens der sardischen Regierung hatte man
dem kaiserlichen Gesandten am Vortag durch Außenminister Graf Lorenzo Pareto (vgl. Candeloro,
Storia dell’Italia, 1966, 138 f.) mitgeteilt, man behalte sich vor, einem eventuellen Ausgreifen der
revolutionären – und ganz besonders der republikanischen – Umtriebe von der Lombardei auf das
Königreich Sardinien-Piemont mit allem Mitteln Einhalt zu gebieten, bekundete im selben Schrei-
ben jedoch auch Sympathie für die Ereignisse in Mailand. Am Vormittag des 24. März erschien dann
auch eine Proklamation Carlo Albertos, in dem dieser der Italienisch-nationalen Bewegung ganz
offen seine Hilfe anbot und klar die Entsendung von Truppen in die Lombardei und nach Venetien
ankündigte. Buol zeigte sich verärgert über „den Verrat, den Carlo Alberto seit langem hegt“ – „la
trahison que Charles-Albert a nourri depuis longtem[p]s“ – und reiste aus Protest aus Turin ab. –
Die Korrespondenz zwischen dem Gesandten Buol und dem sardischen Außenminister Pareto, der
Bericht Buols an die Staatskanzlei in Wien sowie die erwähnte Proklamation Carlo Albertos finden
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435