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3.5. 1848 265
Der Herr Gubernialrath wollen für die unverzügliche Kundmachung an alle Landgerichte
Ihres Kreises Sorge tragen, und im Geiste dieser Kundmachungen zur Einhaltung von Ruhe
und Ordnung nach Kräften einwirken. Ein nächstes Bedürfniß möchte wohl die Bildung
einer Nationalgarde in den grösern Gemeinden seyn, die aus zuverläßigen Männern der
Gemeinde in ihrem eigenen nächsten Interesse zum Schutze des Eigenthums und der per-
sönlichen Sicherheit zu bilden wäre, um für den Fall als anarchische Bestrebungen auch in
diese Provinz durch Emissäre eindringen sollten, denselben begegnen zu können.
Nicht minder dringend erscheint die Aufmerksamkeit auf solche Personen, Auswärtige wie
Eingeborne, welche sichs zum Geschäfte machen dürften durch aufreizende Reden und
unrichtige Darstellung der Ereignisse und der Verfügungen des Reichstages, der Minister
und der Landesbehörden Unzufriedenheit zu erregen, und zum Ungehorsam zu verleiten.
Die eigene Sicherheit der Gemeinden und ihrer Mitglieder wird fordern, solche Individuen,
wo sie sich zeigen sogleich der Obrigkeit anzuzeigen, die sie sodann dem ordentlichen Rich-
ter übergeben, oder im polizeilichen Wege zu bestrafen haben wird.‘“894
Dem hierauf von von Guggenberg verfassten Stimmungsbericht aus dem Stubaital
ist zu entnehmen, dass die angebliche Ruhe, mit der die Entwicklungen des Revo-
lutionsjahres bislang in der Region aufgenommen worden waren, nun zu bröckeln
begann. Die Beschreibung des Landrichters erinnert unweigerlich an die Analyse
von Heiss und Götz: „Auch in Tirol zwangen die Ereignisse [Anfang Oktober] weite
Bevölkerungskreise zur entschiedenen Parteinahme und mobilisierten von neuem die
in den ersten Revolutionsmonaten hervorgetretenen Spannungspotenziale.“895 Aller-
dings bezog sich die offenbar wachsende Unruhe im Tal – zumindest soweit von
Guggenberg deren Ursachen dezidiert benennt – auf Faktoren, die, angelehnt wie-
derum an Heiss und Götz, direkt die Lebenswelt der Landbevölkerung betrafen.896
Der Landrichter nennt in seinem Bericht, ebenso wie die beiden Historiker 150 Jahre
später in ihrer Analyse, finanzielle Belastungen wie die „verhaßte Verzehrungssteuer“
und das „verhaßte Stempelpatent“, die nach wie vor bestünden, sowie die nicht er-
folgte Herabsetzung der „Capitulationszeit“897 – der Dauer des Militärdienstes. Kon-
kret in Gefahr sah von Guggenberg die anstehende Auslosung neuer Rekruten für
diesen,898 da viele nicht einsähen, warum sie nach der freiwilligen Dienstleistung zum
894 KA Schwaz an LG Mieders, 13. Oktober 1848, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 56, 1848, Abt.
XVI.
895 Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 152 f.
896 Vgl. ebd., S. 67.
897 Vgl. zur Aushebung von Rekruten für das österreichische Militär: Kap. 5.3.5.
898 Vgl. ebd.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435