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3.5. 1848 269
Wahl des Jahres, bereits am 3., beziehungsweise 5. und 6. Mai war Landgerichtsak-
tuar Anton Wallnöfer in den Stubaier Gemeinden unterwegs, um die Kürung von
Wahlmännern zu leiten.910 Es handelte sich also um indirekte Wahlen. Die „Be-
völkerung“ – Frauen, Dienstboten und „Arme“, die auf Unterstützungsleistungen
der Gemeinden angewiesen waren, waren vom Wahlrecht ausgenommen – war
aufgerufen, Wahlmänner zu bestimmen,911 die dann in einer gesonderten Abstim-
mung den eigentlichen Abgeordneten wählten.912 Jeweils 500 Einwohner sollten
2012.), wäre – vor allem in Anbetracht der vermutlich auch in den Aktensammlungen der anderen
Landgerichte hierzu erhaltenen Quellen – auch für Tirol lohnenswert, muss im Rahmen dieser Ar-
beit jedoch unterbleiben.
910 Vgl. Reisekostenabrechnungen Anton Wallnöfer, 9. Mai 1848, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz.
56, 1848, Abt. XVI. – Der Beschluss des Bundestages vom 7. April 1848 sah vor, dass „jeder voll-
jährige, selbstständige Staatsangehörige“ das aktive und passive Wahlrecht haben sollte. Diese und
andere Bestimmungen des Bundestages und des Frankfurter Vorparlaments zur Wahlordnung zur
Nationalversammlung finden sich in: Ernst Rudolf Huber (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfas-
sungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850, Stuttgart 1961, S. 271–275.)
911 Vgl. Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 81. – Laut Bundeswahlgesetz vom 7. April 1848
waren Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit und „Selbstständigkeit“ die Voraussetzungen zur Teilhabe
an den Wahlen. Besonders letzteres Kriterium bot den Regierungen der Mitgliedsstaaten des Bun-
des erheblichen Spielraum in der Ausgestaltung ihrer jeweiligen Wahlordnungen. (Vgl. Stockinger,
Dörfer und Deputierte, 2012, S. 407.) Uneinigkeit herrscht in der Literatur hinsichtlich der Frage,
ob in Österreich auch Tagelöhnern und Handwerksgesellen das Wahlrecht vorenthalten wurde. (Vgl.
etwa: Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 81; sowie: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Ver-
fassungsgeschichte seit 1789, Bd. 2: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850, Stuttgart
1960, S. 607 f.) Thomas Stockinger verweist auf unterschiedliche Auslegungen durch die einzelnen
Landesbehörden. (Vgl. Stockinger, Dörfer und Deputierte, 2012, S. 407.) Die in den Ausgaben des
Tiroler „Bothen“ vom 20. und 22. April veröffentlichten Kundmachungen hinsichtlich der Abhal-
tung der Wahlen beinhalten keine das Kriterium der „Selbstständigkeit“ näher definierenden Infor-
mationen hinsichtlich des Wahlrechts. (Vgl. Kaiserlich Königlich privilegirter Bothe von und für Tirol
und Vorarlberg, Nr. 37 u. 38, 20./22. April 1848.) In einem Rundschreiben des Landesgouverneurs
vom 20. April, veröffentlicht in der Ausgabe vom 22. April, heißt es unter Berufung auf einen Er-
lass des Innenministeriums vom 16. April lediglich, dass jene vom aktiven und passiven Wahlrecht
ausgeschlossen seien, „welche an der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte gesetzlich gehindert
sind“. (Circulare des Landespräsidiums zur Wahl zur Nationalversammlung, 20. April 1848, in:
Kaiserlich Königlich privilegirter Bothe von und für Tirol und Vorarlberg, Nr. 38, 22. April 1848, S.
189.) Laut Oswald Gschließer waren nach einem Erlass des Landespräsidiums vom 24. April 1848
neben jenen Personen, die aus Gemeindemitteln finanziell unterstützt wurden, jene vom Wahlrecht
ausgenommen, die „in einem Dienstverhältnis stehen“. In diese Kategorie fielen seiner Auffassung
nach neben den Dienstboten „wohl auch die gewerblichen und Handelsangestellte“. (Vgl. Oswald
Gschließer, Die nationale Einheitsbewegung in Deutschtirol im Jahre 1848 (Schlern-Schriften 43),
Innsbruck 1938, S. 35, Anm. 1.)
912 Vgl. Circulare des Landespräsidiums zur Wahl zur Nationalversammlung, 20. April 1848, in: Kai-
serlich Königlich privilegirter Bothe von und für Tirol und Vorarlberg, Nr. 38, 22. April 1848, S. 189.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435