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3.5. 1848 271
hann Pfurtscheller, wie erwähnt Sohn des Michael Pfurtscheller, vom Ablauf der
Wahl:
„Am Freitag war eine Vorbesprechung, in welcher die Candidaten benannt wurden welche
also Dr. Schuler, Dr. Haselwander, Dekan Amberg, Dr. Flir, etc., jedoch als der eigentlich
passendste wurde Hr. Dr. Schuler, welcher schon vor den Innsbrucker Wahlmaennern ein
paar Tage früher in ein 9/4 Stundenlanges [sic!] weit religiöses politisches Examen genom-
men wurde, vom Herrn Decan Amberg vorgeschlagen, und neuerdings setzte er auseinan-
der wie Tyrol in religiöser Hinsicht der Religions Freiheit welche allen Provinzen zugesi-
chert seie, nur dann genieße, wenn man diesem Lande die Freyheit lasse, rein katholisch
zu bleiben und es nicht gestattet seie, anderen culten Tempel zu oeffnen, nach aehnlichen
und mehr anderen in Ffurt [Frankfurt] zu vertheidigenden Bedürfnissen, meistens religi-
öser Verfassung wurde dann Dr. Schuler aufgefordert, bei seiner Ehre zu erklaeren, ob in
im Falle, eine Mission in diesem Sinne zu erfüllen bereit seie, und er betheuerte dieß mit
einem Ehrenworte + [und] bei seiner Vaterlandsliebe!919 Am andern Tage wurde er von 95
auch mit 56 Stimmen gewählt + [und] erneuerte in kurzer aber gehaltreicher Rede, er werde
das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen wissen – ich schreibe Dir es etwas weitläufig
weil es Hr. Cooperator920 verwundern wird wie man einen so Erzradicalen nehmen konn-
te, allein in Brixen ist man der Ueberzeugung, sein Auftreten wirke mehr als wenn lauter
‚Schwarze‘ [Geistliche] kaemen – als Wahlmaenner waren von Sterzing + [und] Steinach
keine Geistliche, die Wahlen auch so ziemlich Willkühr + [und] ohne Formbeobachter wie
einzelne aussagten; […]“921
Dieser Bericht Johann Pfurtschellers illustriert in wenigen Sätzen eindrucksvoll die
politische Ausgangslage im Tirol des Jahres 1848.922 Die liberalen Kräfte, für die eben
919 Auf ebendieses Ereignis dürften sich auch Hans Heiss und Thomas Götz beziehen, wenn sie Folgen-
des schreiben: „Anlässlich einer Wahlmänner-Versammlung, wo sich Schuler durchzusetzen schien,
verlangte ihm der Stadtdekan das öffentliche Bekenntnis ab, dass er in Frankfurt gegen eine allfällige
Ansiedlung von Protestanten in Tirol stimmen werde.“ (Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S.
83.)
920 Gemeint ist wohl Kooperator Anton Eberle, der als Feldkaplan mit der Stubaier Schützenkompanie
unter Hauptmann Franz Pfurtscheller – dem Adressaten dieses Schreibens Johann Pfurtschellers – an
die Südgrenze Tirols ausgerückt war. (Vgl. Kap. 3.5.2.; sowie: Eberle, Eine Tiroler Schützen-Kompa-
gnie, 1849.)
921 Johann Pfurtscheller an Franz Pfurtscheller, 9. Mai 1848, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, IV,
Bund 1, Nr. 56.
922 Vgl. dazu vor allem: Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998; sowie: Götz, Bürgertum und Libera-
lismus, 2001.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435