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272 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
auch der „Erzradicale“923 Dr. Johann Schuler924, Archivar der Tiroler Stände und Re-
dakteur des „Bothen“, stand, taten sich sichtlich schwer gegen einen übermächtigen
konservativen politischen Katholizismus, der besonders bei der bäuerlichen Bevöl-
kerung deutlich besser ankam. Während von liberaler Seite im Wahlkampf versucht
wurde, „mit den Schwerpunkten allgemeine Wehrpflicht und Volksbewaffnung, Ver-
minderung der Bürokratie, kommunale Selbstverwaltung, Aufhebung der Feudallas-
ten, Arbeiter- und Armenschutzgesetze und sogar Einführung einer Einkommens-
steuer“925 zu punkten, warb die konservative Seite vor allem mit Zollerleichterungen,
Niederlassungs- und Gewerbebeschränkungen und der Senkung von Verbrauchssteu-
ern – kurz mit den Punkten, die weiter oben bereits als die dringendsten Anliegen der
Landbevölkerung im Jahr 1848 durchschienen.926 Ein besonders heißes Eisen für das
liberale Lager war die Frage der Konfessionsfreiheit. Sie sparten „diese sensible The-
matik entweder weitgehend aus oder es wurden […] die besonderen kirchlich-religi-
ösen Verhältnisse Tirols […] ausdrücklich anerkannt“927 – wie auch das von Johann
Pfurtscheller geschilderte Beispiel Johann Schulers zeigt.928
Auf welcher Seite die Stubaier Wahlmänner – unter ihnen gleich drei Geistliche
– in dieser politischen Auseinandersetzung standen, scheint – zumindest wenn man
den Worten Johann Pfurtschellers glaubt – klar: auf der der Konservativen. Ihre
Wahlentscheidung gegen den liberalen Kandidaten Schuler, obwohl dieser offenbar
sogar seitens der Diözese Brixen empfohlen worden war, verwundert daher nicht.
Wohl aber tut dies die Begründung, die Johann Pfurtscheller für die Entscheidung
gegen Schuler angibt:
923 Johann Pfurtscheller an Franz Pfurtscheller, 9. Mai 1848, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, IV,
Bund 1, Nr. 56.
924 Johann beziehungsweise Johannes Schuler (1800–1859) war Jurist, hatte in Wien, Innsbruck und
Padua studiert. Ab 1828 war er Redakteur des „Kaiserlich Königlich privilegirten Bothen von und
für Tirol und Vorarlberg“, ab Ende April 1831 außerdem ständischer Archivar in Innsbruck. 1828
bis 1830 war er Mitherausgeber des Almanachs „Alpenblumen aus Tirol“. (Vgl. Wurzbach, Lexikon,
Bd. 32, 1876, S. 152–156; sowie: Heinrich Best/Wilhelm Weege, Biographisches Handbuch der
Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, Düsseldorf 1998, S. 310.)
925 Vgl. Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 82 f.
926 Zum Ausgang der Wahlen der Frankfurter Nationalversammlung besonders umfassend: Heiss/Götz,
Rand der Revolution, 1998, S. 80–86; sowie: Götz, Bürgertum und Liberalismus, 2001, S. 138–
151; sowie zu den Anliegen der Landbevölkerung: Kap. 3.5.1.1.
927 Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 83.
928 Vgl. Johann Pfurtscheller an Franz Pfurtscheller, 9. Mai 1848, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, IV,
Bund 1, Nr. 56.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435