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5.2. Michael Pfurtscheller heiratet 331
scheller. Während sich Letztere – wie gezeigt wurde – eindeutig an den Regelungen
des Josephinischen Gesetzbuches orientierte, fehlen diesbezügliche Hinweise in den
anderen drei Kontrakten. Besonders die Position der Frau in der Ehe unterscheidet
sich stark. Während Anna Lener auch als Ehefrau – zumindest auf dem Papier – wei-
terhin über den Großteil ihres vorehelichen Vermögens selbst verfügen konnte, und
sie durch den Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft auch ein Mitspracherecht
hinsichtlich des während der Ehe Erworbenen hatte, gaben Maria Denifl, Maria Stolz
und Agnes Jäger jeweils ihr gesamtes Vermögen in die Hände ihrer Männer.76 Aus
den Regelungen für den Fall des Ablebens eines Ehepartners in den drei gerichtlich
protokollierten Verträgen ist erkennbar, dass es sich hier de facto um eine für die
Dauer der Ehe ausgesetzte Gütertrennung handelte. Die Männer konnten zwar über
die ihnen von ihren Ehefrauen zugebrachten Vermögen entscheiden und hatten im
Witwerstand das Recht des Fruchtgenusses, nichts vom Vermögen der Frau ging je-
doch nach deren Tod in den Besitz des Mannes über – auch umgekehrt war dies nicht
der Fall. Lener, beziehungsweise Pfurtscheller, erhielten demgegenüber im Witwen-,
beziehungsweise Witwerstand, neben dem Recht auf lebenslänglichen Fruchtgenuss
des ehelichen Vermögens, in jedem Fall die Widerlage von 2000 Gulden, beziehungs-
weise das Heiratsgut von 1000 Gulden aus dem jeweils vorehelichen Vermögen ihres
Ehepartners zum Eigentum. Die Position Anna Leners in ihrer Ehe kann also ange-
sichts der erwähnten drei Stubaier Heiratskontrakte aus dem Jahr 1805 durchaus als
privilegiert betrachtet werden. Als Tochter einer im regionalen Kontext einflussrei-
chen und wohlhabenden Wirtsfamilie war Anna Lener – und wahrscheinlich auch
ihre Familie – wohl aufgrund ihres sozioökonomischen Status in einer besseren Ver-
handlungsposition als die erwähnten Bräute Denifl, Stolz und Jäger.77 Das von ihr in
die Ehe eingebrachte Heiratsgut von 1000 Gulden war zwar im regionalen Vergleich
recht hoch, fällt jedoch – darauf weisen die Beobachtungen Lanzingers und Forsters
hin – nicht völlig aus dem Rahmen des Üblichen. Doch noch ein anderer Faktor
könnte – wie im folgenden Abschnitt gezeigt werden soll – Anna Lener zur „guten
Partie“78 gemacht haben: regionales soziales Prestige.
76 Damit nahmen Lener und Pfurtscheller die seit der Einführung des Josephinischen Gesetzbuches
bestehende Möglichkeit wahr, dass die Frau die Verwaltung ihres Vermögens selbst beanspruchen
konnte. Wenn dies nicht ausdrücklich erfolgte, lag die Verwaltung in den Händen des Mannes. (Vgl.
JGS Nr. 591/1786 (Patent vom 1. November 1786), 3. Hauptstück, §§ 84–90, S. 95–97.)
77 Vgl. Kolb, Lener, 1956, S. 38.
78 Die Bezeichnung „gute Partie“ ist in diesem Zusammenhang einem Eintrag im Verfachbuch des
Landgerichts Stubai aus dem Jahr 1805 entlehnt. Witwe Gertraud Volderauer aus Neustift verzich-
tet darin auf das ihr von ihrem Ehemann vermachte Erbe zugunsten ihrer Tochter Maria Denifl, da
sich derselben „eine gute Heyraths Parthie hervorgetan“ hatte. (Vgl. Vermögensübergabe Gertraud
Volderauer – Maria Denifl, 5. Januar 1805, TLA, VB Stubai, 34/238, Bl. 1–9.) „Gute Partie“ orien-
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435