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6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 361
Stubaital vor allem die Fertigung von und der Handel mit Metallwaren, mit denen
viele jene Überschüsse erwirtschafteten, die zur Deckung der Lebenshaltungskosten
notwendig waren. Zu diesem Urteil kam bereits ein im Jahr 1825 in der Zeitschrift
des Ferdinandeums erschienener Artikel:
„Alle diese angeführten Zuflüsse [die Einnahmen aus der Landwirtschaft] würden indessen
nicht hinreichen, die Menge der in diesem unfruchtbaren Thale wohnenden Menschen zu
nähren. Sie mußten einen andern Stoff aussuchen, aus dessen Bearbeitung sie den Gewinn
zögen, welchen ihnen der in Produkzionskraft und Fläche beschränkte Boden versagte; sie fan-
den ihn auch in einem ungleich größern Maße, als der Grödner denselben in seinem Zirbel-
baum gefunden8, im Metalle, und erst der Lohn der aus dessen Zubereitung und Vermark-
tung verwendeten Arbeit, der Gewinst von dem darauf gewandten Kapitale machte es ihnen
möglich, sich auf die Anzahl zu vermehren, in der sie gegenwärtig das Thal bewohnen.“9
Der Ursprung dieser hier angesprochenen Metallwarenerzeugung wird von der ein-
schlägigen Literatur durchwegs im späten Mittelalter verortet.10 Es sei davon aus-
zugehen, dass sich das Schmiedehandwerk in den Anfängen als Hilfsgewerbe zum
damals im Stubai betriebenen Bergbau etablierte, das heißt, diesem – etwa mit der
Produktion von Werkzeugen – zuarbeitete. Sehr früh seien jedoch auch schon über
den unmittelbaren Bedarf des Bergbaus hinaus Hufeisen, Sensen, Beile, Hämmer
und ähnliche Werkzeuge produziert und im Hausiererhandel – auch außerhalb der
Grenzen Tirols – verkauft worden. Im Zuge der schrittweisen Einstellung des Berg-
8 Zur Bedeutung Schnitzhandwerks für das Grödental vgl. Marina Demetz, Hausierhandel, Hausin-
dustrie und Kunstgewerbe im Grödental. Vom 18. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert, Innsbruck
1987.
9 O. A., Das Thal Stubei und dessen Bewohner, 1825, S. 202. Den Zusammenhang zwischen begrenz-
tem und wenig fruchtbarem Boden und gewerblicher Tätigkeit zeigt auch Ulrich Pfister rund 170
Jahre später auf: Pfister, Protoindustrie und Landwirtschaft, 1997, S. 60–64.
10 Vgl. – in chronologischer Reihenfolge: Der Kaiserlich Königlich privilegirte Bothe von und für Tirol
und Vorarlberg, Nr. 78, 27. September 1821, S. 312 u. Beil. 14; sowie: O. A., Das Thal Stubei und
dessen Bewohner, 1825, S. 202 f.; sowie: A. Kofler, Industrie und Handel, 1891, S. 677–688; sowie:
Scherbaum, Entwicklung der Werkgenossenschaft, 1903, S. 5 f.; sowie: Rhomberg, Stubaier Klein-
eisenindustrie, 1946, S. 9–21; sowie: Aubele, Handelshäuser, 1951, S. 193–196; sowie: Niemeyer,
Eisenindustrie I, 1969, S. 11–14; sowie: Niemeyer, Eisenindustrie II, 1971, S. 349–354, hier: S.
349 f.; sowie: Rubatscher, Stubaital, Wien 1971, S. 403–407, hier: S. 403 f.; sowie: Kostenzer,
Stubai, 1972, S. 73–76; sowie: Leutelt, Erz und Eisen, 1987, S. 216–227, hier: S. 217–219; sowie:
Egg, Kleineisenindustrie, 1987, S. 233 f.; sowie: Töchterle, Stubai, 1988, S. 81 f.; sowie: Jäger,
Kleinhäusler, 2005, S. 45 f. – Der Informationsstand hinsichtlich der Anfangsphase der Stubaier
Metallwarenerzeugung, wie auch der Bergbautätigkeit, hat sich in der soeben auszugsweise erfassten,
180-jährigen Forschung zu dieser Thematik lediglich unwesentlich erweitert.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435