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6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 371
Ausser dem, was ich bereits gesagt habe, bin ich ganz bei Ihren Angaben, was die Fabrikation
und den Handel betrifft, stehen geblieben. Alles wegen Zoll, Eisen, Politur, u.s.w. kommt vor,
auch das ehemalige Verhältnis wegen des Creditgebens, und alles hat man mir unangefochten
stehen lassen. Bleiben Sie nun nur fest dabei stehen, daß die Angaben wahr seyen, daß aber
in Handel besonders in gegenwärtiger Zeit immer, oft von einem Tage zum anderen andere
Verhältnisse, bald günstigere, bald ungünstigere eintreten, so weichen Sie immer leicht aus.
Sie trifft ohnehin im Ganzen nicht, was im Aufsatze stehet, sondern mich, ich habe mich un-
terschrieben, somit können Sie sich von aller weiteren Theilnahme lossagen. Vom Gewinn der
Handelsleute habe ich gar nichts gesagt, es erscheint nirgends was Sie oder andere Handels-
leute gewinnen, weil Sie mir davon nichts gesagt haben und auch nichts zu sagen brauchten,
weswegen ich auch nichts sagen konnte. Die ganze Summe von 80.000 f ist Industriegewinn,
und wirklich nicht zu groß für die Zahl der Leute die davon leben, so ist auch die Summe
von 185.000 f Ausfuhr nicht bedeutend groß. Ueberhaupt können Sie allen Einwendungen
leicht begegnen, sogar auch allenfalls der, wenn z. B. die Schmiede sagen sollten, wenn Stubai
80.000 gewinne, so müsse man sie besser bezahlen, wie sie wohl, aber mit Unrecht, sagen
können. Wenn man vielen das Eisen u.s.w. auf Credit geben muß, Verluste leidet, u.s.w., so
bekommen die Einwürfe eine ganz andere Gestalt. Auch dagegen habe ich vorgesorgt.“37
Das Ziel dieses eben angeführten Beispiels zur Verlässlichkeit der in den zeitgenös-
sischen Darstellungen verwendeten und von der späteren Literatur stark rezipierten
Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft ist es nicht, deren Urheber als Lügner zu
entlarven. Vielmehr sollen die vorangegangenen Zeilen dazu aufrufen, der Versu-
chung zu widerstehen, die in den erwähnten Beiträgen zu den wirtschaftlichen Gege-
benheiten des Stubaitales enthaltenen „Zahlen und Fakten“ als etwas anzusehen, was
sie nicht sind: nach heutigen Kriterien statistisch erhobene Daten oder gar „Tatsa-
chen“. Die anhand des obigen Beispiels illustrierte „Unschärfe“ dieser Informationen
prägt das gesamte Kapitel zu den wirtschaftlichen Gegebenheiten im Stubaital in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die vermeintliche Eindeutigkeit von „nüchternen
Zahlen“ relativiert sich hier. Bei aller „Unschärfe“ ist immerhin tröstlich, dass, auch
wenn Informationen „modifiziert“ wurden, dies wohl meist im Rahmen des zeitge-
nössisch für die zu erwartende Leserschaft Glaubwürdigen beziehungsweise Vertret-
baren geschah – darauf weist auch Högweins Reaktion auf Pfurtschellers Ansinnen
hin, die Gewinnsummen der Stubaier Händler nach unten zu korrigieren:
37 Nikolaus Ferdinand Högwein an Michael Pfurtscheller, 14. September 1821, TLMF, Hist. Samml.,
Schachtel „Abhandlungen. Berichte, Informationen, ‚Abschilderung‘: Bauernrichter Ritten, ‚Vorstel-
lungen‘, Notizen u. Ä.“, Abt. „Pfurtscheller: Wirtschaftliche Situation d. Stubaitals (1822/1825)“,
Nr. 3.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435