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374 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
Hinsichtlich einer Präzisierung der eingangs dieses Kapitels grob umrissenen wirt-
schaftlichen Grundvoraussetzungen der Region Anfang des 19. Jahrhunderts sind
von Stolz’ Ausführungen jedoch wenig hilfreich. Konkrete Zahlen werden kaum ge-
nannt, es handelt sich eben – wie schon erwähnt – vorrangig um eine „historische
Beschreibung“ und weniger um eine statistische Erhebung. Eine Ausnahme bilden
die Angaben zur Demographie des Tales: 5228 Seelen, davon 2072 Männer und
2156 Frauen, lebten in den fünf Gemeinden. Die Dienstboten seien in ersterer Zahl
mitinbegriffen, deren genaue Anzahl beziehungsweise Geschlecht habe sich jedoch –
so von Stolz – in der Kürze der Zeit nicht bestimmen lassen.51 Hinsichtlich der Frage,
wie diese Menschen ihren Lebensunterhalt erwirtschaften, hebt von Stolz wiederum
besonders die Bedeutung der Produktion von und des Handels mit verschiedensten
Metallfertigwaren hervor. Mehr als 300 Menschen würden „jährlich wiederkehrend
zeitlich auswandern, um in den auswärtigen sowohl Oesterreichischen, als fremden
Provinzen, mit Eisen, Stahl und Geschmeidwaaren, die hier im Gerichte verfertiget
werden […] zu handeln“.52 Produziert werde in 69 Werkstätten von ebensovielen
Meistern, unter Mitarbeit von 75 Knechten beziehungsweise Gesellen, 22 Lehrlingen
und 36 Gehilfen.53 Angaben zu Handelsvolumen oder gar Gewinn der Handelsleute
könne er jedoch nicht machen, so von Stolz, „als er die dermalen ingesammt abwe-
sigen Handels Leuthe nicht befragen kann“.54 Zu den Handwerkern, die es im Tal
neben den erwähnten „Eisen-Arbeitern“ auch noch gibt, nämlich „Radmacher, Huf-
schmiede, Schreiner, Schuhmacher, Dreher und Schneider“, werden ebenfalls keine
Zahlen angegeben. Zur Landwirtschaft heißt es lediglich, diese sei die Lebensgrund-
lage für „die übrigen Menschen“. Von Stolz nennt zwar genaue Zahlen zum Rin-
der- und Pferdebestand, die Zahl der Schafe, Schweine und Ziegen lasse sich jedoch
„schon gar nicht bestimmt angeben, weil man bald mehrer, bald weniger zu halten
pflegt“. Konkrete Zahlen zum Ackerbau fehlen ebenfalls.55
Die Antworten Joseph von Stolz’ bieten also keine statistischen Daten zur wirt-
schaftlichen Lage in der Region. Der Landrichter hätte wohl auch gar nicht die Mög-
lichkeit gehabt, solche Informationen innerhalb von etwas mehr als vier Wochen zu
sammeln. Fraglich ist außerdem, aus welchen Quellen von Stolz sein Wissen bezog.
Es ist nicht klar, ob seine Erfahrung aus der Tätigkeit als Hofrichter, Gerichtsschrei-
ber und Urbarverwalter in einer Person tatsächlich seine einzige Informationsquelle
für die Beantwortung der Fragen war oder ob er etwa bei verschiedenen Ansprech-
51 Vgl. Staatsgüterbeschreibung Stubai 1802, 25. Mai 1802, TLA, Handschrift Nr. 2443, Bl. 18 v.
52 Ebd., Bl. 14.
53 Vgl. ebd., Bl. 19 r.
54 Ebd., Bl. 17 v f.
55 Vgl. ebd., Bl. 19 v–21 v.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435