Page - 396 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Image of the Page - 396 -
Text of the Page - 396 -
396 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
delskompanien – wie bereits erwähnt – im Jahr 1808 nur noch 15.132 Als weiterer
Hinweis ist wohl auch der schon angedeutete Bevölkerungsrückgang zu betrachten,
den bereits Andreas Alois Dipauli beobachtet hat: Er habe für seine Talbeschreibung
aus dem Jahr 1814 die „Diöcesan-Kataloge“ der Diözese Brixen ausgewertet und im
Zuge dessen einen Rückgang der Bevölkerung im Landgericht Stubai zwischen 1775
und 1812 von 4396 auf 3911 Einwohner – das entspricht einem Minus von rund
11 Prozent – festgestellt. Eine Entwicklung, so fährt Dipauli fort, die sich allerdings
in der gesamten Diözese „beynahe überall, mehr oder weniger“ feststellen lasse.133
Als Ursachen für diesen Bevölkerungsrückgang führt Dipauli jedoch nicht nur Ent-
wicklungen an, die direkt mit der vorangegangenen Kriegsperiode – insbesondere ist
hier natürlich an das Jahr 1809 und den misslungenen Aufstand gegen die bayerische
Regierung zu erinnern – in Zusammenhang zu bringen wären. Auch das Wetter sei
Schuld an der Krise:
„Man behauptet, die Fruchtbarkeit des Thales habe abgenommen, was, wenn es Grund
hätte, ein Anwachsen der nahen Eisberge anzeigen würde; auch ist durch Verheerungen
des Rutzbaches der fruchtbare Boden da u. dort verkleinert worden; die Eisenschmiede zu
Fulpmes fanden in den spätern Zeiten den Absatz ihrer Fabrikate beschränket, u. sahen
sich zum Theile zur Auswanderung genöthigt. Dies sind ungefähr die Ursachen von der
Abnahme der Bevölkerung des Stubay-Thales, die man mir anführte, u. dazu auch noch den
Verlust in der langwierigen Landesvertheidigung u. durch Rekrutierung. Man klagt dieses
Jahr über Mißwachs des Roggens, ist jedoch mit der Gerstenernte zufrieden; dieß sind die
bedeutendsten zwey Getreidearten, die in diesem Thale gebaut werden. Auch hört man
die Klage, schon seit vielen Jahren habe es keine eigentlich reiche Ernte mehr gegeben.“134
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Krisensituation ergab man sich im Stubaital keines-
wegs einfach seinem Schicksal. Die Behörden sollten helfen. Zumindest versuchten
Michael Pfurtscheller – wohl nicht zuletzt in seiner Funktion als Gemeindevorsteher
132 Vgl. „Verzeichnis der Stubajer Handels-Compagnien“, 23. August 1822, TLMF, Hist. Samml.,
Schachtel „Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr. 22; sowie: Johann von Anreiter beantwortet Fra-
gen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusammengestellt von
Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil H.
133 Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Inns-
bruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S.
38 f. – Auf die Schwierigkeiten im Umgang mit derartigen historischen Daten wurde in Kap. 6.2.
bereits näher eingegangen.
134 Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Inns-
bruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S.
10 f.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435