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428 7. Schlussbemerkungen
in Tirol oder sogar noch darüber hinaus zu schließen. Das Bild einer konservativen
Grundhaltung des Großteils der ländlichen Bevölkerung Tirols ist damit keinesfalls
widerlegt. Der hier angewendete, akteurszentrierte Blick auf diese „untere“ Ebene
zeigt jedoch eben jene individuellen Handlungsspielräume auf, von denen bereits die
Rede war. Es wird dabei aus dieser Perspektive auch deutlich, dass jene individuellen
Logiken beziehungsweise Rationalitäten, nach denen innerhalb dieser Spielräume
Entscheidungen getroffen wurden, in der historiographischen Rückschau selbst aus
größter Nähe betrachtet wohl kaum rekonstruierbar sind – und dies gilt keineswegs
nur für den in der vorliegenden Arbeit untersuchten, regionalen und lokalen Bereich.
Durch das Aufzeigen solcher Erkenntnisse aus mikroskopischer Betrachtung liefert
die vorliegende Arbeit somit einerseits einen Beitrag zur weiteren Ausdifferenzierung
des bestehenden Bildes der Tiroler Gesellschaft dieser Zeit, regt andererseits jedoch
eventuell auch zur Überprüfung anderer scheinbar offensichtlicher Zusammenhänge
und gängiger Verallgemeinerungen an.
Die große Nähe zum Untersuchungsgegenstand Michael Pfurtscheller beziehungs-
weise zu den ihn und sein nächstes Umfeld betreffenden Quellen brachte jedoch
auch erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Um Vergangenes in eine narrative Form zu
bringen, müssen Historiker eine Auswahl aus den gefundenen Informationen treffen.
Diese verbinden sie dann durch Schlussfolgerungen, suchen „passende“ Quellenstel-
len zur Untermauerung ihrer Argumentation. Auch in der vorliegenden Arbeit wurde
ausgewählt und miteinander verbunden. Allerdings wurde besonderes Augenmerk
darauf gelegt, die Gründe für die jeweiligen Entscheidungen des Autors offenzulegen,
möglichst wenig wegzulassen und keine Kausalzusammenhänge herzustellen, wo sich
solche nicht herstellen lassen. Widersprüche, die sich aus den Quellen zu einer einzi-
gen Person ergeben, lassen sich ohnehin kaum als Ausnahmen oder vernachlässigbare
Abweichungen beiseiteschieben – eine Möglichkeit, die sich bei Betrachtung eines
Forschungsgegenstandes aus größerer Entfernung einfacher bietet. Das Schreiben
einer Geschichte auf der Basis einander mehrfach widersprechender Informationen
aus dem zur Verfügung stehenden Quellenmaterial – im betreffenden Zusammen-
hang wurde jeweils ausführlich auf diese Problematik eingegangen – geriet jeden-
falls vielfach zu einer Herausforderung im Hinblick auf die Form der literarischen
Ausgestaltung der Untersuchung, der Vermittlung der Forschungsergebnisse in einer
Erzählung. Die Diversität der quellenbasierten Beobachtungen verleitet einem Nar-
rativ zuliebe zu Simplifizierungen und Verallgemeinerungen, die jedoch – das ist eine
grundlegende Annahme des Autors, die sich im Rahmen der bereits beschriebenen
detaillierten Quellenrecherche bestätigte – der Komplexität des untersuchten Gegen-
standes nicht gerecht werden.
Die angesprochen uneindeutige, aus den Quellen zu erschließende Auswahl an
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435