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60 Die Organisation: Von der Gründung zur Konsolidierung
Exkurs: Die Klostergüter um 1785
Da eine lückenlose Darstellung aller in den Fonds eingebrachten Kloster- und Kirchen-
güter für das Jahr 1785 in den Archivbeständen nicht vorliegt, wird die Rekonstruktion
über eine zeitnahe Aufstellung von 1780 versucht. Eine zeitgenössische, von der Militär-
verwaltung der Bukowina in Auftrag gegebene Karte der den »Klöstern eigenthümlich
zugehörigen Ortschaften« bestätigt diese Liste und zeigt kaum Abweichungen dazu (vgl.
Tab. 2).90
Vorerst verwaltete der Staat die Güter des Religionsfonds noch direkt. Von den 1780
mehr als 80 ausgewiesenen Klostergütern in der Bukowina war annähernd ein Drittel
verpachtet und wurde entsprechend extensiv bewirtschaftet. Aus Sicht der zuständi-
gen galizischen Staatsgüteradministration trug diese Wirtschaftsform zwei wesent-
liche negative Aspekte in sich. Einerseits befanden sich die Pächter nicht selten mit
ihren Zahlungen im Rückstand, woraus wiederum langwierige Prozesse resultierten,
auf die man schon im Zuge des Vergleichs mit dem Bischof von Radautz aufmerksam
geworden war. Andererseits führte das landesübliche Pachtsystem zu einer regelrech-
ten Ausbeutung der Güter wie Unterpächter selbst, bei einer gleichzeitig entsprechend
geringen Bereitschaft zu investieren oder überhaupt Neuerungen einzuführen. Darü-
ber hinaus fanden sich die Subpächter, ständig am Rande ihrer eigenen Existenz. Sie
sahen oftmals nur noch in der Auswanderung die einzig ihnen verbliebene Möglich-
keit, den drückenden Lasten zu entfliehen, wie das ein zusammenfassender Bericht an
den Wiener Hofkriegsrat festhält : »Je länger die Pachtung also noch dauert, je sicherer
ist es, daß der Religionsfond nebst ruinierten Waldungen, auch verarmte Untertha-
nen erhält. Die Bedruckung der Unterthanen auf Gütern, die in der 3ten und 4ten
Hand in Unterpacht stehen, ist unvermeidlich, auf wirkliche Verbesserungen sieht
aber Niemand.«91
Die zuständigen Behörden betrieben folglich eine schrittweise Auflösung der für die
Landesentwicklung letztlich äußerst ungünstigen Pachtverhältnisse und zogen die Güter
allmählich in die eigene Verwaltung und Bewirtschaftung. Dieser Prozess beanspruchte
jedoch Jahrzehnte. Das zeigt sich etwa am Beispiel des Pächters Baron von Lezzeny, der
Religionsfondsgüter der Herrschaft Kuczurmare und St. Onuphri seit 1789 in Erbpacht
besaß. Trotz der 1791 auf eine kaiserliche Entschließung hin erfolgten Umwandlung in
ein Zeitpachtverhältnis lassen sich die Prozesse um die von Lezzeny mehrfach einge-
90 Adler 1784, Karte.
91 ÖSTA-HHSTA Faßbender Karton 4 X/4, fol. 675 u. 727, Berichtsauszug Inspektor Paulj, Radautz v.
13.V.1802 sowie Bericht der k.k. Peczenijczijner Kameralverwaltung v. 9.XII.1802.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439