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240 Die Institution: Struktur & Werte
… als Kriegsverlierer nach 1918?
Schon wenige Tage nach Ausbruch des Krieges evakuierte man die Güterverwaltung
des Religionsfonds nach Dornawatra, der Erzbischof verblieb während der ersten rus-
sischen Besatzung in der Landeshauptstadt.88 Wirtschaftsgebäude und Güter des Fonds
wie die Waldkulturen hatten schon während der ersten Wochen empfindliche Zerstö-
rungen zu verzeichnen.89 Der russische Militärgouverneur, der seinen Sitz im Gebäude
der Güterverwaltung in der Herrengasse bezogen hatte, erklärte den Fonds kurzerhand
zum Eigentum des russischen Staates und unterstellte die Kontrolle darüber den Mi-
litärbehörden.90 Bargeld sowie Werteffekten konnten noch kurz zuvor in versiegelten
Kisten nach Wien gebracht werden, wo sie bei der Staatszentralkasse bzw. dem Post-
sparkassenamt hinterlegt wurden. Die Finanzkasse der Landesverwaltung, wo ebenso
Effekten des Fonds deponiert waren, befand sich während dieser Jahre in Salzburg.91
Czernowitzer Zeitungen berichteten von fünf Kisten, unter anderem mit den Kriegs-
anleihen des Fonds, die in Depots in Salzburg gelagert gewesen wären.92 Eine genaue
Bezifferung der beträchtlichen Summe an Wertpapieren lässt sich allerdings auf Grund
der schütteren Quellenlage nicht aufstellen. Insgesamt dürfte der Wert der in Wien und
Salzburg deponierten Effekten mehr als 25 Millionen Kronen betragen haben.93 Nach
Kriegsende hatte eine eigene Liquidierungskommission der rumänischen Regierung
in Wien den Auftrag, den Verbleib dieser Wertpapiere und Barschaften in Österreich
festzustellen und diese ins Königreich zurückzuführen. Eugen Guzmann, den noch am-
tierenden Direktor der Güterverwaltung in Czernowitz, hatte Bukarest beauftragt, nach
Wien zu reisen um die Angelegenheit zu klären. Die vollständige Freigabe der Mittel zog
sich jedoch über das Jahr 1923 hinaus, da die österreichischen Behörden darauf bestan-
88 Kapitel 6 (Repta).
89 Vorarlberger Volks-Blatt Nr. 291 v. 20.XII.1914, 2, In der Bukowina. Neben den Forsten wurden auch
einzelne Landgüter des Fonds bereits während der ersten russischen Besatzung völlig zerstört. Laut
Presseberichten gehörten dazu »Tepereutz, Michalcze, Jablonitza, Kuczurmare, Dubowa, Czahor,
Kotulostritza, Rehezna, Mamajestie« ; Zeit v. 16.XII.1914, Die Russen gegen die Bukowinaer Orthodo-
xen ; nach ÖSTA-HHSTA, Zeitungsarchiv Karton 161, k.k. Ministerium des Äußeren.
90 Pilsner Tagblatt Nr. 340 v. 18.XII.1914, 2, Vom russischen Kriegsschauplatze. Die Kämpfe in der Buko-
wina ; DACZ 320/1/90, Приказ (Verordnung) Nr. 2 v. 18.XI.1916, erlassen auf Basis einer Verord-
nung des Stabschefs des Oberkommandos der russischen Armee v. 14.X.1916, Nr. 1418 (Kopie).
91 DACZ 319/2/117, fol. 44, Comisiunea Română pentru Lichidare Viena an Delegatul Ministerului
Cultelor pentru fondul religionar v. 13.III.1920 ; ÖSTA-AVA, Neuer Kultus akath. gr.-or. K22, Fi-
nanzdirektion Salzburg an Unterstaatssekretariat für Unterricht v. 4.IX.1919.
92 Czernowitzer Morgenblatt Nr. 2106 v. 29.VII.1925, Titelseite, Die Salzburger Depots in Czernowitz.
93 ÖSTA-AVA, Neuer Kultus akath. gr.-or. K22, Kultus 1919 Nr. 18061L v. 15.VIII.1919, Weisung des
Bukowiner Landespräsidenten v. 2.VIII.1914, Zl. 3004 prs.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439