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86 Die Organisation: Von der Gründung zur Konsolidierung
Zusammenfassung
Wenn gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Czernowitzer Historiker Raimund Fried-
rich Kaindl die Kirchenreform und die Gründung des gr.-orient. Religionsfonds der
Bukowina bewusst aus der Schusslinie der zeitgenössischen Kritiker des Josephinis-
mus nahm150, so war diese Äußerung nicht nur einer gewissen Loyalität seiner Person
Wien gegenüber geschuldet, sondern wahrscheinlich auch einer real nachvollziehbaren
Wahrnehmung. Die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Einrichtung waren zu diesem
Zeitpunkt bereits seit langem überwunden, und die Ende des 18. Jahrhunderts grund-
gelegten Strukturen begannen sich allmählich positiv auf die weitere Entwicklung des
Kronlandes auszuwirken. Zu Beginn dieses Jahrhunderts schien man davon allerdings
noch weit entfernt, wie die Analyse der Schwierigkeiten und innerbehördlichen Unei-
nigkeiten bei der Gründung des Fonds zeigen. Im Jahr 1832, also knapp 50 Jahre nach
der Begründung des Fonds, wird diese Einrichtung als einer der »reichsten Religions-
fonde in den österreichischen Provinzen« beschrieben, die zudem einen kontinuierli-
chen Überschuss erwirtschaftete.151 Dass der Staat
– nicht ganz selbstlos
– bereits in die-
sem frühen Stadium für sich aus dieser Quelle Profit zu schöpfen wusste, bleibt dabei
unbestritten. So erwarb 1811 das Militär nach jahrelanger Pacht im Austausch mit ande-
ren Staatsgütern die dem Religionsfonds gehörende wirtschaftlich nicht unbeträchtliche
Domäne Fratautz, und nutzte sie für die Remontierung mit Pferden und den Aufbau
eines Gestüts. Die Domäne war ursprünglich aus einem Teil der vormals bischöflichen
Güter von Radautz hervorgegangen.152 Fratautz wies für das Jahr 1803 immerhin einen
Ertrag von 12.000 Gulden (bei einer Gesamtertragssumme der Fondsgüter in der Buko-
wina von knapp 160.000 fl.) aus.153 Dank dieser Fondsgüter in der Bukowina verfügte
der Staat nunmehr für die Ansiedlung von deutschsprachigen Kolonisten aus dem Hei-
ligen Römischen Reich – wie schon bei den erwähnten bischöflichen Liegenschaften
nördlich des Pruth – auch im südlichen Landesteil über dringend benötigten Grund
und Boden. Allein auf den Herrschaften Fratautz, Kuczurmare und St. Illie – alle vor-
150 »Durch die Uebernahme der kirchlichen Güter in die Verwaltung des Staates hat also der Kaiser
sicher nicht, wie es manchen beschränkten oder übelwollenden Gemüthern schien, die Kirche ge-
schädigt, sondern dieselbe in der Bukowina ganz besonders gefördert« ; Kaindl 1896, Kaiser, 15.
151 Stöger 1832, Übersicht, 90 (Nr. 23 v. 23.
II. 1832).
152 Polek 1894, Anfänge, 42 ; sowie ÖSTA-FHKA galiz. Domänen Nr. 85 Fasz. 10 139/1340 Entschä-
digung für die Herrschaft Radautz v. 17.I.1811 ; FHKA Domänen Nr. 72 Fasz. 7, Vortrag und Re-
solution v. 17.I.1795 Verpachtung der Bukowiner Religionsfondsgüter der Herrschaft Fratautz nebst
Ober- und Unterwikow dann Strascha.
153 ÖSTA-HHSTA Faßbender Karton 5 XI/3-XII MS XII, Ertragsausweis der Buccowiner Staats- und
Fondsgüter 1801–1803.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439