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112 Die Organisation: Von der Gründung zur Konsolidierung
Zusammenfassung
Vergleicht man aus diesem Umfeld heraus die Situation der Bukowina mit jener in den
innerösterreichischen Ländern, so zeigen sich dabei durchaus auf den ersten Blick Ähn-
lichkeiten. Die ältere Agrarverfassung wirkte in vielfach persistenten Strukturen trotz
angestoßener Reformen fort und verhinderte bzw. bremste eine Modernisierung auf
breiter Basis. Die von W. Drobesch für Innerösterreich überzeugend dargestellte Teilm-
odernisierung als eine ›Modernisierung ohne Industrialisierung‹ trifft allerdings auf die
Bukowina nur mit gewisser Einschränkung zu.3 Während in den Jahrzehnten nach 1848
Kapitalarmut und eine anhaltend versorgungsorientierte Landwirtschaft auch in weiten
Bereichen der Bukowina ungebrochen dominierten, lassen sich doch einige wichtige
Unterschiede festhalten. Einerseits bestanden in der Bukowina größere private Guts-
betriebe weiter und es gelang einigen unter ihnen, wenngleich mit Verzögerung, den
Kapitalmangel zu überwinden bzw. erfolgreich Investitionen zu tätigen. Dazu gehörten
etwa die Besitzungen der Familie Wassilko in der Nordbukowina. Zudem profitierte die
Bukowina von der steigenden Bedeutung der stark wachsenden Hauptstadt Czernowitz,
die im Umfeld kaum Konkurrenz zu fürchten hatte. Vor allem jedoch profitierte das
Kronland vom Markt benachbarter und weit weniger entwickelter Länder, der zugege-
ben ein instabiler war, wie die politischen Ereignisse bis zum Ausbruch des Ersten Welt-
krieges in diesen Räumen zeigen.
Ein wesentlicher regionsinterner Faktor für die einigermaßen erfolgreiche Teilmo-
dernisierung dieses Kronlandes scheint jedoch in der Existenz und im Wirken des gr.-
orient. Religionsfonds selbst zu liegen, der auf Drängen des Staates oder im eigenen
Interesse notwendige Reformschritte setzte und damit zumindest sektoral (vor allem in
der Forstwirtschaft) wie regional (zeitlich später in der Bergbauregion Jakobeni und im
Kurort Dorna Watra) Innovationen bewirkte. Gerade die bei W. Drobesch als zentrale
Schwachpunkte bezeichneten persistenten bäuerlich-grundherrschaftlichen Rechtsver-
hältnisse konnten in der Bukowina nicht zuletzt auf Grund der vorhandenen beson-
deren Eigentumsstruktur wie der Dominanz des Fonds (sowie der direkten staatlichen
Eingriffsmöglichkeit) während dieser entscheidenden Periode der ersten beiden Jahr-
zehnte seit der Grundentlastung letztlich mit Erfolg überwunden werden. Damit war
die Bukowina zwar immer noch kein Vorreiter unter den Kronländern der Monarchie,
3 Drobesch 2003, Grundherrschaft, 181ff.; die von Vilfan bereits früh in der Historiographie ein-
geforderte differenzierte Sichtweise (durch regionale Unterschiede der jeweiligen Agrarverfassung)
bestätigt sich damit, ebenso wie die von ihm angebrachte (und von Drobesch später wieder aufge-
griffene) Kritik an der These vom Reformstillstand während des Vormärz in der Habsburgermonar-
chie ; Vilfan 1973, Agrarsozialpolitik, 31–39.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439