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Die Institution: Struktur & Werte
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts – nach mehr als fünfzig Jahren seit der Gründung
des gr.-orient. Religionsfonds der Bukowina – war die ursprünglich von Joseph II. ge-
schaffene Organisationsform für die Verwaltung kirchlichen Vermögens in eine Phase
schrittweiser ›Institutionalisierung‹ getreten. Über maßgebliche Akteure wie den Bi-
schof erfuhr die sich herausbildende Institution Religionsfonds eine wachsende Auf-
ladung mit Werten. Der Fonds bezog damit, über seine Organisationsexistenz hinaus,
innerhalb einer sich Schritt für Schritt etablierenden Gesellschaft der Bukowina als ›Ak-
teur‹ Position. Gewissermaßen pars pro toto für diesen prozesshaften wie vielschichti-
gen Übergang steht die Amtszeit des Bischofs Eugen Hackmann. Durch die mit der Los-
lösung von Galizien-Lodomerien ›wieder‹ gewonnene relative Autonomie wurden aus
der Struktur der gr.-orient. Landeskirche heraus wie im Religionsfonds und seinen Ver-
tretern zunehmend Fragen nach kirchlicher Selbstverwaltung bzw. vermehrter Mitbe-
stimmung formuliert und in der Folge zum Teil heftig diskutiert. Das ständisch geprägte
Denken eines Bischofs Hackmann war in seiner Ambivalenz geradezu beispielhaft dafür.
Einerseits forderte der Bischof dem Staat gegenüber ein ausgeweitetes Verfügungsrecht
über den Fonds ein, andererseits schürte sein Selbstverständnis als ›Kirchenfürst‹ den
internen Konflikt mit einer jüngeren Generation von nachrückenden Hierarchen, die
für eine verstärkte institutionelle Beteiligung der Gläubigen eintraten. Zugleich fanden
die allmählich einsetzenden zentrifugalen Wirkungen nationaler Gedanken gerade im
Fonds, als einer der mittlerweile bedeutendsten Landesinstitutionen, ein fruchtbares
Substrat zur Umsetzung vor.
Dass Werte für eine Institution wie den gr.-orient. Religionsfonds eine nicht zu unter-
schätzende Triebkraft in der gesellschaftlichen Positionierung und Dynamisierung dar-
stellten, steht hingegen nur für eine von zwei Seiten dieses Entwicklungsprozesses. Der
markante politische Bruch von 1918 brachte zwar eine weitgehende Deckungsgleichheit
nationaler Wertvorstellungen mit dem neuen rumänischen Staat, die unter anderem seit
der Jahrhundertwende den gesellschaftlichen Diskurs im ehemaligen österreichischen
Kronland im Allgemeinen und im Fonds im Besonderen an zentraler Stelle bestimmt
hatten ; allerdings erwies sich dieser Wechsel à la longue durchaus als zweischneidig.
Mit dem durch den Kriegsausgang bedingten Wechsel zum Königreich Rumänien sollte
auch die für das bisherige Funktionieren der Institution Religionsfonds maßgeblich re-
gulierende Komponente Staat eine grundsätzliche Neubewertung erfahren, die erheb-
lich von den bisherigen Erfahrungen abwich. Die relative innere Autonomie der gr.-
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439