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256 Die Institution: Struktur & Werte
gestaltende Rolle als Politiker wahr und übte auch in den folgenden Jahren beträchtli-
chen Einfluss auf die Entwicklung der Bukowina aus.
Rumänische Kirche – Rumänischer Fonds?
Der generelle territoriale wie gesellschaftliche Vereinigungsprozess, in den Rumänien
mit Ausgang des Ersten Weltkrieges eingetreten war, stellte die orthodoxe Kirche vor
eine Reihe von Schwierigkeiten. Dabei galt es unter anderem, vier Traditionslinien
kirchlicher Verwaltung und kirchlichen Selbstverständnisses vor dem Hintergrund
ebenso vieler heterogener staatlich-regionaler Kontexte (Siebenbürgen, Bukowina, Bes-
sarabien und Regat) zusammenzuführen.36 Der Zielpunkt einer einheitlichen autoke-
phalen rumänisch orthodoxen Landeskirche mit einem zu schaffenden Patriarchat37
ließ sich aus der Perspektive des Jahres 1918 indes nur unscharf bestimmen. Zudem
berührte gerade dieses Hinarbeiten auf eine Neukonstituierung der Kirche grundle-
gende Fragen bisher in den angesprochenen historischen Räumen zum Teil völlig unter-
schiedlich erfahrener Autonomie. Die Kirchenhierarchie der Bukowina hatte sich
– mit
Ausnahme von Metropolit Morariu-Andrievici – immer wieder gegen eine breit ver-
standene Laienbeteiligung in Form eines Kirchenkongresses ausgesprochen, jedoch zu-
gleich eine größere Autonomie, vor allem eine weitgehende Verfügungsgewalt über die
Religionsfondsmittel vom Staat eingefordert.
Aus der spezifischen Czernowitzer Perspektive lagen für das Vereinigungsprojekt
konkrete Vorschläge vor, die im Wesentlichen von einer dezentralen Kirchenorganisa-
tion Rumäniens in Form von gleichberechtigten Metropolien ausgingen. Darin hatten
die beteiligten Czernowitzer Theologieprofessoren auch einen Eparchialkongress, ledig-
lich mit einem konsultativen Charakter ausgestattet, vorgesehen.38 Derlei Vorschläge
der Regionen fanden jedoch nur begrenzt Eingang in Realität wie Umsetzung der Bu-
karester Kirchenpolitik. Schon die 1923 eingeführte Staatsverfassung ließ eine sich im-
mer mehr abzeichnende Zentralisierung innerhalb der orthodoxen Kirche in Rumänien
deutlich erkennen.
36 Brusanowski 2011, Kirchenordnungen.
37 1919 hatte man den Bischof von Caransebeş, Miron Cristea, zum Metropoliten von Bukarest gewählt
und ihn damit gleichzeitig zum Metropolitprimas der rumänisch orthodoxen Kirche erhoben ; Ma-
ner 2007, Multikonfessionalität, 177.
38 Şesan 1920, Proiect ; Brusanowski 2007, Autonomia, bes. 145–158.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439