Page - 289 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
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9. Die wirtschaftliche Situation um 1938
Die Jahrzehnte nach 1918 brachten für den Religionsfonds gravierende Veränderungen.
Dominierten während der Zwischenkriegszeit mit der Eingliederung in einen neuen
Staat, das Königreich Rumänien, die Triebkräfte des strukturellen Wandels bzw. der all-
mählichen Umgestaltung oder die wachsende politische Einflussnahme, wie das bereits
dargestellt wurde, so beherrschten während des Krieges freilich existentiellere Fragen
den Fonds. Die letzten vier Jahre von 1944 bis zur Auflösung des Religionsfonds im
Verlauf des Jahres 1948 waren geprägt von neuerlichen Anpassungsversuchen in einem
sich verändernden politischen System, die allerdings in der Realität der Institution nur
mehr geringe Auswirkungen zeigten. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation ist
daher hier für den Fonds
– großzügig um das Jahr 1938 herum ausgreifend
– der Fokus
vertiefend zum vorausgegangenen Kapitel auf die Agrarreform, den Bau des Czernowit-
zer Kulturpalastes und die Kriegsjahre selbst zu richten.
Agrarreform und Religionsfonds
Zu den zentralen Reformen des rumänischen Staates der ersten Jahre nach 1918, die sich
allerdings bis Kriegsbeginn hinzogen und die den Fonds unmittelbar in wirtschaftlicher
Hinsicht betrafen, gehörte die angestrebte großflächige Umverteilung des Agrareigentums.
Die sozial, politisch wie wirtschaftlich angespannte Situation Großrumäniens, insbesondere
wegen seiner nach der beträchtlichen Gebietserweiterung mit dem Ende des Ersten Welt-
krieges strukturell so heterogenen Teilräume, drängte nach umfassenden Veränderungen in
der bisherigen Agrarpolitik des Altreiches. Aus der Sicht Bukarests bot der ländliche Raum
bzw. die Landwirtschaft die größtmögliche Reichweite für derlei Maßnahmen. Mit einer
breit angelegten Agrarreform – nicht der erste Versuch im Regat – sollten vorrangig die
Ansprüche der Bauern befriedigt und damit zumindest der von ihnen ausgehende massive
politische Druck, der spätestens seit dem Aufstand von 1907 auf den jeweiligen Regierun-
gen lastete, wegfallen. Bukarest trachtete wohl ernsthaft danach, mit der Lösung der Bau-
ernfrage den Kern der sozialen Probleme anzupacken. Dem Agrarfeudalismus, wie er vor
allem im rumänischen Altreich dominiert hatte, sollte dadurch unwiederbringlich ein Ende
bereitet werden. Ein erster Anlauf dazu im Jahr 1864 war noch am massiven Widerstand
der Großgrundbesitzer gescheitert. Das Landreformgesetz von 1921 stellte nunmehr dafür
eine neue Grundlage bereit. Allerdings gestaltete sich die konkrete Umsetzung von Provinz
zu Provinz sehr verschieden und war weit entfernt von Einheitlichkeit.1 Im Gegenteil, die
1 Hitchins 2004, Desăvârşirea, 359f.; im Überblick Müller 2006, Zwischenkriegszeit ; die von
Şandru vorgelegte Arbeit zur rumänischen Agrarreform (1975, Reforma) gilt nach wie vor als
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439