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154 | Zirkulationen und Output
statt.83 Diese boten meist Besitztümer aus Verlassenschaften an, genauso wurden Ge-
genstände aufgrund von Geldbedarf oder »einer Abreise wegen« versteigert.84 In Linz
war im 18. Jahrhundert – anders als in zahlreichen Städten des deutschsprachigen
Raumes85 – kein öffentliches (städtisches) Leihhaus etabliert worden und es gab auch
keine offiziell berechtigten Pfandleiher. Die Lücke wurde offensichtlich – neben ei-
nem Engagement von Gebrauchtwarenhändlern/innen in diesem Bereich – von infor-
mellen Leiher/innen ausgefüllt, deren Tätigkeit in Inventaren und Zeitungen doku-
mentiert ist : Ein 1723 verstorbener Hafner hatte Silberknöpfe und Silbergeschirr bei
einem Schreiber versetzt,86 das Inventar eines Stadtrichters aus dem Jahr 1719 listet
verpfändete Gegenstände (v.a. Schmuck) im Wert von über 1.000 Gulden auf,87 eine
vermögende, 1742 verstorbene Witwe gewährte nicht nur den Landständen einen er-
heblichen Kredit, sondern lieh auch auf Pfänder.88
Sekundäre Märkte in der Moderne
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm der relative Preis vieler Materialien und Dinge
ab, während die Reallöhne (wenngleich langsam) anstiegen, dazu weitete sich die
world of goods aus, und damit veränderten sich auch die sekundären Märkte.89 Der
Preisverfall zeigte sich besonders bei der Kleidung (vgl. Tab. 23), einem Hauptarti-
kel des Gebrauchtwarenhandels, obwohl Gebrauchtkleidung in den Unterschichten
nur langsam an Relevanz verlor.90 Mit der Hygienediskussion kam es bei Kleidung
jedoch zu steigenden Vorbehalten gegenüber dem Konsum von Gebrauchtem.91 Als
man während des Preußisch-Österreichischen Krieges über die »Linzer Zeitung« zur
Abgabe von Verbandsmaterial aufgerufen wurde, bezog sich dies – anders als noch
zu Beginn des 19. Jahrhunderts – explizit auf »Cardien-Abfall« und »Spinnabfall«,
nichtgebrauchte Textilreste.92 In den 1870er Jahren bezeichnete der Hygieniker Max
v. Pettenkofer – anlässlich der Cholera – selbst die Schränke, in denen die eigenen
(benutzten) Textilien aufbewahrt wurden, als »wahre Herde der Miasmen«.93 Die Zei-
83 Vgl. Stöger, Märkte, 44 – 46.
84 LZ/IB, 14.11.1834 (Zitat) ; vgl. z. B. LZ, 3.5.1779 ; ebd., 10.7.1801 ; LZ/IB, 11.8.1820 ; ebd., 20.7.1840.
85 Vgl. Stöger, Märkte, 222f.
86 LR BVI2, Reg. 1150 (77 – 80).
87 LR BIIB1, Reg. 46 (41 – 45).
88 Ebd., Reg. 62 (59 – 62) ; vgl. ebd., Reg. 68 (65) ; weitere Beispiele in : LZ/IB, 20.3.1818 u. ebd., 17.10.1828.
89 Stöger/Reith, Recycling, 272 u. 278.
90 Lemire, Clothing ; Ginsburg, Rags, 127 – 129 ; vgl. zum nur langsam sinkenden Kleidungsaufwand in
städtischen Unterschichten : Sandgruber, Anfänge, 323f.
91 Vgl. Charpy, Scope, 144f.
92 LZ/AB, 1.4.1856 ; vgl. Doku, Fossel, 16.
93 LTP, 23.8.1873.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364