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12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels
Im frühen 18. Jahrhundert – dem Ausgangspunkt dieser Studie – zeigten sich die
Mensch-Umwelt-Interaktionen in der Mittelstadt Linz wesentlich durch dezentrale
und individuelle Praktiken bestimmt, die in einem engen Konnex mit naturräumli-
chen Konstellationen standen. Es gab z. B. bei gewerblichem Abwasser oder bei feuer-
gefährlichen Tätigkeiten räumliche Lösungen, die Belastungen oder Gefährdungen
verhindern oder reduzieren sollten. Ohnehin verlangte die Topographie der Stadt eine
Anpassung der Bewohner/innen : Hügellagen tendierten zu Wasserarmut und in den
flachen Teilen von Linz bildete das geringe Gefälle ein Hindernis für die Entwäs-
serung. Andere Bereiche des städtischen Metabolismus waren ebenso naturräumlich
geprägt : Bereits im 18. Jahrhundert kam das Linzer Brennholz kaum noch aus dem
Gebiet der Stadt oder aus dem unmittelbaren Umland, es wurde aus dem Hinterland
bezogen. Dafür war die Lage am Fluss günstig, obgleich flussabwärts (mit Wien) ein
Großabnehmer für Konkurrenz sorgte. Wasserkraft und tierische Antriebskraft wur-
den in der Stadt und im stadtnahen Bereich verwendet, wobei die Wasserkraftnutzung
vor allem an der Traun und kaum an der Donau anzutreffen war, was als Anpassung an
die fluviale Dynamik der beiden Flüsse und an die topographischen Gegebenheiten
zu werten ist. In den Vorstädten gab es auf den fruchtbaren Schwemmböden eine in-
tensive landwirtschaftliche und gartenbauliche Nutzung, sogar von kleinsten Flächen.
Die Nutzgärten an der urbanen Peripherie waren wichtig für die Versorgung der Stadt,
sie bildeten zudem Subsistenz und Zuverdienst für Angehörige der Unterschichten.
Ausschlaggebend für die Entstehung einer Ansiedlung im Linzer Raum war ver-
mutlich die Lage an der Donau – sie prägte auch danach wesentlich das städtische
Leben. Man kann durchaus von einer Koexistenz und symbiotischen Beziehung mit
der Donau sprechen : Der Fluss war für die Versorgung entscheidend, an den Fluss,
dessen Naturraum und fluviale Dynamik passten sich die Stadtbewohner/innen an.
Potentielle Überflutungsräume wurden als Dauersiedlungsfläche gemieden und exten-
siv bewirtschaftet, wobei man die Auen vielfältig, aber ebenso angepasst nutzte. Der
bis in die 1860er Jahre bestehende hölzerne Donauübergang ist ebenso als angepasste
Lösung zu betrachten, die über Jahrhunderte hinweg gut funktionierte. Zwar wurde
die Holzbrücke regelmäßig durch Hochwasser und Eisstöße beschädigt oder zerstört,
Reparaturen waren aber relativ schnell und einfach umzusetzen. Derart gewachsene,
angepasste und multifunktionale Praktiken lassen sich auch in anderen Bereichen städ-
tischer Umwelt erkennen, z. B. bei Wasserinfrastruktur, Sauberkeit oder individueller
Versorgung. Grundlegend war hier eine private Zuständigkeit und Verantwortung der
Stadtbewohner/innen, die Stadtverwaltung selbst verhielt sich zumeist reaktiv. Bis ins
19. Jahrhundert hinein wurden bestehende Lösungen eher erweitert und nur selten
komplett verändert oder ersetzt.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364