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8. Natur der Städter – Natur für Städter
Irrationale und rationale Natur, untersuchte und gesammelte Natur
Für den Blick auf die Natur und den Umgang mit ihr bildete das 18.
Jahrhundert eine
Übergangszeit. Empirisch-rationale Beobachtungen gewannen an Bedeutung, kriti-
sierten und modifizierten ältere Wissensbestände und erreichten eine breitere Öffent-
lichkeit.1 Diese Veränderungen, die nicht unbedingt linear verliefen, sollen anhand
von drei Beispielen nachgezeichnet werden : der Wahrnehmung von Wetterphänome-
nen, des 1777 beim Bergschlössl etablierten Botanischen Gartens und des naturwis-
senschaftlich induzierten Sammelns seit der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Das unvollständige Wissen zu vielen meteorischen Phänomenen resultierte im All-
tag in religiösen und metaphysischen Deutungen und Praktiken.2 Einzelne Einblicke
in diese Bereiche liefern die jährlichen Tätigkeitsberichte der Linzer Jesuiten (»Litte-
rae annuae«) : 1701 wurde am Kalvarienberg bei St. Margarethen auf Initiative eines
Jesuitenpaters ein Holzkreuz errichtet, das – neben anderem – ebenso gegen Gewitter
und Hagelschlag schützen sollte, was auch eine der beiden Inschriften (»a fulgure et
tempestate, ab omni malo libera nos«) erbat.3 Dies war vermutlich mit der Verehrung
des Heiligen Donatus verbunden, der nicht nur von den Linzer Jesuiten als Beschüt-
zer vor Unwettern angesehen resp. inszeniert wurde. Ab den 1710er Jahren gibt es
Hinweise auf Donatus-Feierlichkeiten in Linz, bei denen mehrere tausend – mit den
Donatus-Reliquien geweihte – Heiligenbilder verteilt wurden, die auch gegen Feuer
helfen sollten.4 Im Herbst 1713, der einem kalten Frühjahr und einem niederschlags-
reichen Sommer folgte und in Teuerungen resultierte (vgl. Kap. 2. Kontexte : Linz
1700 bis 1900), organisierten die Jesuiten eine Prozession auf den Kalvarienberg, um
für eine Wetterbesserung zu beten, die dann tatsächlich eingetreten zu sein scheint.5
Ab den 1720er Jahren sollte mit den Reliquien des jesuitischen Ordensgründers Ig-
natius von Loyola geweihtes Wasser gegen verschiedene Bedrohungen, unter ande-
rem gegen Viehseuchen helfen. Bis in die 1750er Jahre wurde dieses Wundermittel
in großen Mengen unter die Bevölkerung gebracht, die offenbar auch einen Schutz
gegen Zauber, Hagel und andere Unwetterereignisse erhoffte.6 Daneben finden sich
1 Vgl. Sommer/Müller-Wille/Reinhardt, Handbuch, 278 – 281 ; Hochadel, Wissenschaft, 14 – 28 ; EdN,
s.v. Naturwissenschaft u. Williams, Ideas, 71f. u. 79 – 82.
2 Vgl. EdN, s.v. Meteore, Meteorologie u. Wetterbeobachtung.
3 Dies ist durchaus als zeittypische Formel zu erachten, die oft bei Kirchenglocken verwendet und mitun-
ter durch »grandine« (Hagel) ergänzt wurde ; LR CIIIC3, Reg. 37 (11).
4 Ebd., Reg. 203 (85) ; ebd., Reg. 209 (88f.).
5 Ebd., Reg. 228 (96).
6 Ebd., Reg. 422 (177) ; ebd., Reg. 560 (237f.) ; ebd., Reg. 745 (318) ; ebd., Reg. 755 (323).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364