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9. Epidemie
Die letzte Pest
In der Forschung gilt Pest als spezifische Infektionskrankheit, die durch das (in den
1890er Jahren entdeckte) Bakterium Yersinia pestis ausgelöst wird – sie kann somit
als Impact der Natur auf die Gesellschaft gesehen werden. In den europäischen Städ-
ten trat die Pest regelmäßig bis ins ausgehende 17. Jahrhundert epidemisch auf, zur
letzten Pestepidemie im Alpenraum kam es 1713/1714. Prinzipiell kann zwischen der
weniger letalen Beulenpest und der hochansteckenden Lungenpest, die in einer hohen
Mortalität resultierte, unterschieden werden. Die »retrospektive Diagnose« ist aber
schwierig, da eventuell auch andere Infektionskrankheiten als »Pest« tituliert wurden
oder Epidemien eine Mischung verschiedener Krankheiten bildeten. Insgesamt waren
Epidemien im 18. Jahrhundert nicht ausschlaggebend für die hohe städtische Morta-
lität, sondern eher endemisch auftretende Infektionskrankheiten.1 Die Pest trat auch
im Linzer Raum – nach den Epidemien von 1678/1679 und 1683/1684 – in den
Jahren 1713/1714 zum letzten Mal auf.2 Linz selbst war kaum betroffen – vermutlich
gab es nur einzelne pestbezogene Todesfälle –, in Urfahr starben aber insgesamt 60
Menschen an der Pest.3 Es war somit keine schwere Epidemie, auch nicht in Wien,
wenngleich es dort mehrere tausend Tote gegeben hatte.4 Zu dieser Zeit bestanden es
bereits verschiedene Gegenmaßnahmen und Infrastrukturen, die beim
– oder kurz vor
dem – Auftreten der Pest aktiviert wurden. Seit dem 16. Jahrhundert hatte sich eine
Reihe von Praktiken herausgebildet, die eine Mischung aus präventiven und reakti-
ven Maßnahmen darstellten : Man intensivierte die Kontrollen an den Landesgrenzen
und verhängte Quarantäne in Verdachtsfällen. Beim Auftreten von Pestsymptomen
wurden die Betroffenen isoliert und geordnet betreut, die Wohnungen gesperrt, der
Warenaustausch und das öffentliche Leben partiell beschränkt, z. B. Messen, Märkte
oder der Schulunterricht temporär abgesagt.5
Dies wurde größtenteils auch bei der Epidemie 1713/1714 in Linz und Urfahr
umgesetzt. Linz verfügte seit dem 16. Jahrhundert über ein Pestlazarett, das in den
1640er Jahren in ein Haus an der städtischen Peripherie im Wörth bei der Ludl verlegt
1 Reith, Umweltgeschichte, 93f. u. 97 – 101 ; EdN, s.v. Pest ; Leven, Ratten, 11f.; Schott, Urbanisierung,
178f.; vgl. zu Wien : Weigl, Wandel, 163 u. 168 u. Reichert, Pest.
2 Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 1, 289f. u. 312 ; Pillwein, Linz, Bd. 1, 200f.
3 LR E1a, Reg. 125 (30f.) ; ebd., Reg. 126 (31) ; in Regensburg war die Pest mit mehr als 7.000 Toten
deutlich stärker aufgetreten : Kellner, Pesthauch, 108 – 110.
4 Weigl, Wandel, 229 u. 364.
5 EdN, s.v. Pest ; Reith, Umweltgeschichte, 21 ; vgl. Kellner, Pesthauch, 89 – 104.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364